Es gibt viele Themen und Bereiche, die Wirtschaftshistoriker erforschen. Doch mit die interessantesten Daten sind diejenigen, die einen Einblick in den Alltag der normalen Menschen geben. Gewiß, die Wirtschaftsgeschichte des Dritten Reichs enthält viele interessante Zahlen, doch wirklich fassbar sind sie selten. Bei den folgenden ist das anders: 62% der deutschen Steuerzahler, das waren damals 14,6 Millionen Menschen, gaben 1936 an, ein Jahreseinkommen von weniger als 1500 RM zu haben. Umgerechnet war das ein Wochenlohn von knapp 30 RM und ein Stundenlohn von ca. 60 Pfennigen.

Darüber lagen die Angestellten mit einem Jahreseinkommen von ca.1500 – 2400 RM, sie bildeten 21 % der Steuerzahler. Demnach verdienten nur 17 % mehr als 2400 RM im Jahr.
Um diese Zahlen einschätzen zu können, hilft ein Blick auf die Ausgaben und damit auf die Preise: Die Ausgaben für Lebensmittel, Getränke und Tabak eines Arbeiterhaushalts betrugen 43-50% des Budgets. Ein Kilo Graubrot kostete beispielsweise 31 Pfennige – einen halben Stundenlohn. Günstiger waren Kartoffeln, das fünf Kilo konnte man für 50 Pfennig erstehen. Fleisch hingegen war teurer: Das Kilo Speck kostete 2,14 RM – der Gegenwert eines halben Arbeitstags. Ein Stück Butter (250g) kostete ebenfalls viel: Mehr als eine Stunde harte Arbeit war dafür nötig: Ein Kilo Butter kostete 3,10 RM. Und Getränke? Ein Liter Milch kostete 23 Pfennige, ein Liter Bier 88 Pfennige. Zigaretten hingegen waren nicht so teuer, 3 Pfennige kostet ein Glimmstengel.
Nach den Kosten für Miete (12%, ca. 24 RM/Monat) und Nebenkosten (5%) blieben einem Vierpersonenhaushalt nur noch 67 RM um die Versicherung zu bezahlen, Haushaltsmittel zu kaufen, die Tickets für Straßenbahn und Bus zu bezahlen, den Arzt zu bezahlen, Kleidung zu kaufen und und und. Für ein paar Männerschuhe bezahlte man 10 RM, Kinderschuhe ab 6 RM.
Wie ist das ganze einzuordnen? Adam Tooze, aus dessen Werk (s.u.) die Daten stammen, urteilt:
„In einer modernen Vergleichstabelle würde das „Dritte Reich“ wirtschaftlich in derselben Liga wie Südafrika, der Iran oder Tunesien spielen. Natürlich hinkt dieser Vergleich, denn heute, zu Beginn des 21.Jahrhunderts, können der Iran und Südafrika Hochtechnologien -Atomreaktoren, Computer, Jets usw – […] zu Bedingungen importieren, die Deutschland zu Hitlers Zeiten nicht zur Verfügung gestanden hatten.“
Damals waren die Vereingten Staaten unangefochten an der Spitze der Wohlstandsgesellschaft. 1929 gab die Ford Motor Company – die damals schon in Köln ein Tochterunternehmen betrieb – eine vergleichende internationale Studie in Auftrag, die der Frage nach gehen sollte, welchen Lohn Ford in den 14 europäischen Standorten zahlen müsste, um den dortigen Arbeitern einen vergleichbaren Lebenstil wie am amerikansichen Hauptsitz ermöglichen zu können. Das Ergebnis: In Frankfurt oder Berlin hätte Ford die damals ungalubliche Summe von 5380 bis 6055 RM Jahreseneinkommen zahlen müssen. Und im Wuppertal wohl nur eine unwesentlich weniger astronomische Summe.
Angaben entnommen aus: Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2008, S.170 ff.