LAV NRW Regierung Düsseldorf Präsidialbüro Nr. 793, Bl. 222
Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

19.3.1848

Euer Hochwohlgeboren werden durch mein ın der vergangenen Nacht per Estafette an den General Chlebus daselbst abgesandtes Schreiben, so wie durch besonderes Schreiben des hiesigen Oberbürgermeisters bereits von den beklagenswerthen Excessen des gestrigen Abends in hiesiger Stadt unterrichtet worden sein. Man fing gegen 9 1/2 Uhr mit Demolirung des Hauses und der Fabrikgebäude des Fabrikanten van der Beck’ an. Der Gemeinderath, den ich vorher versammelt hatte, war des festen Glaubens, daß am Abend alles ruhig bleiben würde, und hatte auf meine ausdrückliche Anfrage: „ob nicht unter den obwaltenden Umständen auf Requisition von Militär Bedacht zu nehmen“
diese Anfrage einstimmig verneint

Als der Sturm dennoch ausbrach und die Arbeiter, fremde und einheimische vom Johannisberg aus in großen Massen durch die Straßen der Stadt lärmend und pfeifend nach dem van der Beckschen Lokale zogen, war der Sicherheitsverein noch nicht völlig ins Leben getreten, weil er bei dem größeren Theil der Mittel=Bürgerklasse keinen Anklang gefunden hatte. Die disponible Polizeimannschaft war zu schwach um dem rohen, von Zerstörungslust beseelten und mit schweren Steinen und anderen Werkzeugen bewaffneten Haufen in seinem Beginnen Einhalt zu thun. Dennoch versuchte ich es, an ihrer Spitze, ihm entgegenzutreten und durch Zureden und besänftigende Worte die Massen zu zerstreuen, mußte mich aber zurückziehen, weil ein frecher Mensch, der in derselben Nacht, weil ich seinen Namen erfahren, och verhaftet wurde, mich selbst unsanft berührte und von allen Seiten mit schweren Steinen geworfen wurde. Inzwischen ließ der Pöbel seine Zerstörungswuth an dem Hause des p. van der Beck aus, riß die eisernen Treppengelände[r] herunter, warf mit Steinblöcken gegen Thüren und Fenster um diese zu sprengen und suchte in dieses einzudringen, um es wahrscheinlich mit den Fabrikgebäuden völlig niederzureißen.

Glücklicherweise ist dieses verhindert worden! Denn indem die Nachricht anlangte, daß man das Rathhaus stürme und dort alle Fenster einwerfe, eilte alles vorerst nach diesem Schauplatz. Hier hatte sich eine ungeheure Menschenmenge versammelt, unter denen namentlich sich die Eisenbahnarbeiter auszeichneten, mit schweren Instrumenten gegen die Thüre schlugen die Fenster einwarfen und erstere mit Gewalt zu sprengen suchten.

In diesem Augenblicke erschien – in der That wie ein rettender Engel für die Stadt! – die 2te Compagnie der 7ten Jägerabtheilung auf ihrem Durchmarsch nach Lennep mit scharfgeladenem Gewehr und gefälltem Bajonett vor dem Elberfelder Rathhause und trieb die völlig überraschte Menge nach allen Seiten auseinander.

Da man inzwischen mit der Demolirung des van der Beekschen Hauses wieder begonnen, so glaubte ich alle Maßregeln treffen zu müssen, um die durchziehenden Jäger die Nacht über in Elberfeld zu halten, wenn nicht der Pöbel seine Zerstörungswuth immer weiter ausdehnen sollte. Ich nahm daher dem Compagnieführer gegenüber die ganze Verantwortlichkeit auf mich und schickte sofort an den General Chlebus eine Estafette mit den nöthigen Mitteilungen.

Die Nacht über wurde ein Zug der Jäger mit einem Offizier zur Bewachung und Beschützung in das van der Beeksche Haus gelegt, der andere Zug bewachte das Rathhaus.

So ist es gelungen von 12 Uhr ab die Ruhe der Stadt aufrecht zu erhalten, und sind nur mehrere bedeutende, selbst lebensgefährliche Verwundungen zu beklagen. Die Haupträdelsführer sind noch in der Nacht verhaftet worden und heute den Gerichten überwiesen.

Im Laufe des Tages ist an Militär angekommen:

1, eine Escadron Ulanen
2, eine Compagnie Jäger
3, zwei Compagnieen des 2ten Bataillions des 17ten Infanterie-Regiments
4, drei Compagnieen des in Schwelm und Hagen stationirten 1ten Infanterie-Regiments

Die Stadt ist hiernach hinreichend beschützt und hoffe ich, daß der heutige Abend ruhig vorüber gehen wird.

Einen Aufruf an die Bürgerschaft von mir und dem Oberbürgermeister und einen desgleichen vom hiesigen Gemeinderath beehre ich mich ganz gehorsamst beizufügen.

Siehe auch: Hermann Joseph Aloys Körner: Der dunkle Drang des Volkes