Entnommen aus: Hermann Joseph Aloys Körner, Lebenskämpfe in der Alten und Neuen Welt. Eine Selbstbiographie, Band 1, Zürich 1865, Volltext bei Google Books.

6. März 1848

Schon am 4. März 1848 waren es der Handelspräsident Carl Hecker und einige andere freisinnige Männer und zu diesen gehörte damals sogar der bedeutendste Mann Elberfelds, „August von der Heidt“ [sic!], der Chef des Bankierhauses von der Heidt, und späterer „Handelsminister im preußischen Reactionsgouvernement“! denen es gelang, den Elberfelder Gemeinderath zu einer Petition „um sofortige Einberufung und Festhaltung der Periodicität des allgemeinen Landtages“ zu drängen. Um die dabei hervortretende Minorität der Stadträthe von einer Gegenadresse abzuschrecken, wurde, gerade auf Betreiben „August v. d. Heidt’s“, am 6. März ,,eine Bürgerversammlung“ auf den Engelnberg zusammen gerufen, um diese Gemeinderath-Petition gut zu heißen und zu begrüßen. Es war dies die erste öffentliche politische Versammlung im Wupperthale. Obgleich sie fast nur aus sogenannten „respectabeln Bürgern“ bestand, trieb ihr Enthusiasmus sie doch über die ursprüngliche Bestimmung hinaus, und zwar so weit, daß man die Gemeinderath-Petition durch eine zweite ergänzte, in welcher vom Gouvernement „Preßfreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht“, sowie ,,Gleichstellung aller Confessionen“ gefordert, und demnächst eine größere und allgemeinere Versammlung, eine „Volksversammlung“ auf den nächsten Sonntag angesetzt wurde.

Auch diese „Volksversammlung“ war eine „erste“ im Wupperthale. Auf ihr zeigte sich darum auch so recht schlagend, in welch hohem und unverantwortlichem Grade die Masse des Volkes in politischer Unwissenheit gehalten worden war über Alles, was öffentliches Leben betraf, – hauptsächlich durch die langjährigen Bevormundungssysteme der Regierungen. Denn gleich, bei der ersten Rede, welche eine speciellere Frage, als die über „Einheit und Freiheit Deutschlands“ zu behandeln suchte, protestirten die versammelten Arbeiter tumultuarisch gegen alle „politischen Spitzfindigkeiten“. „Was geht uns die Preßfreiheit an?“ schrieen sie wild durcheinander, „Freßfreiheit ist es, was wir verlangen!“ – Als Dr. Pagenstecher – ein späteres Mitglied des deutschen Parlamentes und dann zur letzten Gagern’schen Fraction gehörig, sonst aber ein liebenswürdiger und hochgebildeter Mann, der hier als Präsident diese erste Volksversammlung leitete – die Versammlung verlassen, und sich auch „ August v. d. H.“ nebst andern Geldaristokraten weggeschlichen hatte, kostete es uns andern aushaltenden Leitern der Versammlung die größte Anstrengung, die ungeberdige Menge zum Anhören unseres nun aufgestellten Thema’s zu bewegen: „daß man sich erst in weiteren Versammlungen gegenseitig belehren und außerden sich über aufzustellende Forderungen einigen müsse, bevor irgendwie vernünftig in Etwas gehandelt werden könne.“ — Ich selbst machte hier meine politische Jungfernrede vor dem Volke, und hatte die Genugthuung, es ruhiger und besonnener nach Hause gehn zu sehn.