Entnommen aus: Hermann Joseph Aloys Körner, Lebenskämpfe in der Alten und Neuen Welt. Eine Selbstbiographie, Band 1, Zürich 1865, Volltext bei Google Books.
27. Februar 1848
Es war in Duisburg am Rhein, und zwar am Mittage des vorletzten Februartages des verhängnisvollen Jahres 1818, wo mich die erste Nachricht von der „französischen Februar-Revolution“ und von der „Flucht Louis Philipp’s“ traf.
[…]
Es trieb mich zur Heimath, nach Elberfeld.
Auf der ganzen Reiselinie dahin, besonders aber in den Straßen von Düsseldorf, standen überall dichte „polizeiwidrige Gruppen“ von Menschen, mit freudigen und exaltirten Gesichtern, die sich in lebhaften Gesticulationen gegen einander ergehend. Der Gegenstand all dieser Aufregung und Demonstration war natürlich kein anderer, als „die neue Revolution“. Daß dies wirklich so war, hörte ich zuletzt selbst von gleichen Gruppen am Bahnhofe in Düsseldorf, und dann in den Wagen des Zuges, der uns von da auf der Eisenbahn nach Elberfeld brachte.
Auch in Elberfeld sah es so aus, jedoch mit dem bedeutenden Unterschiede, daß hier die Gruppen mit freudigen Gesichtern leiser jubelten und wispernd raisonnirten – sie waren immer von einigen der ,, vornehmen Herren“ umschlichen, welche Letztere verteufelt ernste, angstvoll-langgezogene Gesichter machten.
Doch weder den Beamten, noch den Geldaristokraten, half diesmal ein bedauerliches Schulterzucken, noch ihr heimliches Angstseufzen. Die Massen jubelten immer lauter; ja, sie wurden zuletzt sogar bedrohlich für die, welche nicht mit ihnen jubelten. Diese Steigerung der freudigen Volkstheilnahme begann besonders dann, als man hörte, „wie in Heidelberg sechzig deutsche Männer zusammengetreten“ seien und Bassermann den Antrag auf „eine Vertretung des deutschen Volkes beim Bundestage zu Frankfurt“ gestellt habe, und dieser nachher im , deutschen Vorparlament“ zur Ausführung gebracht wurde. Mir schlug das Herz hoch vor Freude, als ich hörte, daß es mein alter deutschkatholischer Freund Mohr, der langjährig von seiner Regierung suspendirte Gerichtspräsident gewesen, der mit der ersten deutschen Fahne in Frankfurt einritt, um dort mit andern deutschen Männern in einer Reichsversammlung zu tagen; und noch mehr fühlte ich mich bewegt, als auch bald auf dem Krahn des Cölner Domes, hoch in den Lüften, das deutsche Banner wehte. […]
Auch in Elberfeld schmückten sich bald die Freisinnigern mit „schwarz-roth-goldnen Bändern“. Diesen folgten hier selbst die frommen Langgesichter, als ihr König, einen Tag nach dem „, blutigen Mißverständniß“, sich felbst mit schwarz-roth-goldener Schärpe bekleidete, und, mit der deutschen Fahne voran, durch die Straßen Berlins ritt, um seinen „lieben Berlinern“ fein Deutschthum dazuthun; dabei sogar — dem Volke laut erklärte: „Ich habe beschlossen, mich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen!“ Das hatte zur Folge, daß die deutsche Fahne auch bald auf dem schönen Rathhause zu Elberfeld wehte, hoch über all den preußischen Adlern, die als Afroterien das Gesims bekrönen.
Die loyalen Fabrikanten des Wupperthales fingen aber in, mit patriotischer Leidenschaft schwarz-roth- goldene Bänder zu „fabriciren“, Hals- und Taschentüder in diesen gefeierten Farben zu weben, und Seide und Kattune mit Schwarz, Roth und Gelb zu bedrucken. Die Drucker und Weber mußten damals Tag und Nacht durcharbeiten, damit die Fabrikherren recht bald ihr nettes industrielles Deutschthum auf die Märkte“ bringen konnten – ein „einträglicher Patriotismus“, diese Speculation der Krämerseelen! –
Die Drucker und Weber hatten aber nie mit so viel Freude ge druckt und gewebt. Nahm doch das Volk alles das von Preußens König Gesagte und das von den Elberfelder Fabrikherren „für die deutschen Farben“ Gethane für wahren patriotischen Pietismus, für eine Manifestation ihrer Begeisterung für „Deutschlands Einheit und Freiheit“ an! – Wie konnte da das Volk dem leisen Geflüster einer in Verborgenen arbeitenden Reaction nachhorchen? Den Vaterlandsfrühling im Gemüthe, rief das Volk immer lauter sein „Hoch dem freien Deutschland, dreimal hoch!“ und übertönte mächtig jedes Reactionsgestöhne. In dem Liede: „Was ist des Deutschen Vaterland ?“ jubelte es die Schlußantwort: „Das ganze Deutschland soll es sein!“ wie jauchzendes Meeresbrausen weit über’s Thal hinaus, daß es im Echo der Berge mächtig wiederhalte und auch dort die Einzelnwohnenden zum Jubelgesang fürs deutsche Vaterland mit fortriß: –