Entnommen aus: Hermann Joseph Aloys Körner, Lebenskämpfe in der Alten und Neuen Welt. Eine Selbstbiographie, Band 2, Zürich 1866, Volltext bei Google Books.

16. August 1848 und 27./28. August 1842

[Wupperthaler in Düsseldorf]

[…]

Das dauerte aber dem Könige und der Hof- und Junkerpartei zu lange. Darum suchte „der März-deutsche König“ in höchsteigner Person sich neue Stützen für den Rückschritt zu werben. Als es ihm gelungen, daß die Armee am 6. August der Reichsgewalt „nicht“ gehuldigt, reiste er zunächst an den Rhein. Einen guten Vorwand fand er in der „Grundsteinlegung“ zu einem Portale des Cölner Domes, um dem Volke neue Phrasen vorzufödern. Mit den thatenschwachen Cölner Bürgern gelang ihm dies vortrefflich; denn ein Jeder, der ihrem Pfahlbürgerthum mit einem „Alav Cöln“ schmeichelt und ihrem Pfaffenwesen huldigt, hat sie gewonnen – wenn auch nicht gerade in so hohem Grade, daß sie sich dafür todtschlagen ließen.

In Düsseldorf war das schon anders. Dort beschloß der Gemeinderath, den König, der schon jetzt sein erst im März gegebenes Wort gebrochen, „nicht officiell zu empfangen“.

In Elberfeld, – ja in Elberfeld! – da beschloß der Stadtrath, von , August v. d. H.“ geleitet, einen „officiellen Tadel über den Gemeinderath in Düsseldorf“ auszusprechen. In einer von demselben Herrn veranlaßten „Bürgerversammlung“ wurde dann die Elberfelder Stadtbehörde ersucht, in Begleitung aller Staats- und Stadtbeamten und im Anschluß aller loyalen Bürger des Wupperthales, den König bei seiner Ankunft in Düsseldorf“ zu begrüßen. Ich war dadurch von Amtswegen zu dieser Demonstration commandirt. Das Einzige, was wir Demokraten auf dieser Versammlung gegen „August v. d. H.“ erringen konnten, war der Beschluß: daß Niemand der Begrüßenden verpflichtet sei, statt der bisher getragenen „schwarz-roth-goldenen“, die „schwarz-weiße“ Cocarde aufzustecken. Letztere hatte „August“ ausschließlich proponirt. Am betreffenden Tage fuhren wir, die Stadtbehörden und Beamten, von einer großen Anzahl Bürger mit preußischen Cocarden, begleitet nach Düsseldorf und als der König durch unsere aufgestellte Reihe musternd schritt „die Begrüßenden aus dem Lande der Berge“, wie der wohlbeleibte aber jugendliche Elberfelder Oberbürgermeister in seiner Ansprache sich ausdrückte, – da blieb er nur bei den mit Schwarzweiß Geschmückten kürze Augenblicke witzig-sprechend stehen, während er mit sichtlicher Verachtung an den Wenigen vorüberschritt, die, wie ich, mit schwarzrothgoldenem Bande geschmüdt waren. Doch hatten wir so mit „Königlicher Verachtung“ behandelten Deutschen nachher den Vortheil, auf unserem Spaziergange durch Düsseldorf nicht, wie die meisten schwarzweißen Wupperthaler und ihr König selbst, vom Volke in Düsseldorf insultirt, sondern mit „freudigen Hurrah’s“ begrüßt zu werden.

[Der König in Elberfeld]

Zwei Tage später zog der nun specifisch preußische König in Elberfeld ein. Er ehrte die Stadt dadurch, daß er vom Bahnhof zu Fuß durch die in Reihen aufgestellte Bürger- und Landwehr bis zum neuen Hause oder vielmehr Palaste des „Daniel v. d. H.“ schritt. Der Mann war sichtlich erfreut über „all die preußischen Fahnen“, die ihn umflatterten, und konnte des Winkens und königlichen Lächelns kein Ende finden. „Daniel v. d. H.“ hatte sich auf der Treppe in den heute zum ersten Male geöffneten „Hauptthore“ seines Hauses mit seiner schönen Frau und sechs liebenswürdigen Kindern im Halbkreise aufgestellt und empfing da den „Hohen Herrn“ mit dessen eigenen Worten: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!“ – Mußte dies den „Guten König“ nicht noch froher stimmen? – Bald hatte die Freude den Monarchen so sehr überwältigt, daß er, rothglühend im ganzen Gesichte bis hoch über den Scheitel hinüber, mit gefülltem mächtigem Pocale auf den Balcon vor das Volk trat, ihn hochschwenkte, so daß der feurige Wein funkelnd umhersprühte, und auf meines Volkes Wohl!“ ausleerte. Daß er den Pokal „mit dem Einen Zuge“ auch völlig geleert habe, dazu machte er, mit dem leeren Becher noch mehr vortretend, vor dem Volke, „die Nagelprobe“.

[Die „lustige Blamage“ von 1842]

Mir fiel, als ich dies Alles mit ansah, die lustige Blamage ein, welche die Elberfelder bei der letzten Anwesenheit desselben Königs es war 184[2], etwa ein Jahr nach seiner ersten vielversprechenden Thronrede gewesen sich zugezogen hatten, und die mir wie eine Reihe Hohnbilder vor die Seele trat. Der Elberfelder Stadtrath hatte damals den Bau zweier Triumphthore angeordnet und mir, dem Quasi-Aesthetiker des Ortes, den Entwurf der Pläne übertragen. Denn auch ich war damals noch voll Hoffnungsbegeisterung. Beim Eingange in die Stadt, an der Barmer Brücke, hatte ich zwei kolossale Victorien auf hohen griechischen Piedestalen“ projectirt, die zu beiden Seiten der Straße aufgestellt quer über dieselbe eine reiche Guirlande von natürlichem Grün und Blumen hoch empor halten sollten. Zur Zierde des Ausganges der Stadt hatte ich „zwei hohe Säulen“ bestimmt, von denen eine , das deutsche“, die andere das ,preußische Wappen“ in kolossalem Maßstabe trug. Die Victorien, jede neun Fuß hoch, waren nach meiner Zeichnung und unter meiner Leitung in Elberfeld selbst aus Gyps modellirt worden. Kurz vor dem Eintreffen des Königs war der Stadtbaumeister Heuse, der die sechszehn Fuß hohen Piedestale etwas spät beschafft,

immer noch mit dem Aufstellen der viele Centner schweren Figuren beschäftigt; er hatte Krahne herbeischaffen müssen, um sie an ihre Stelle zu heben. Noch ehe die ganze Last der ersten dieser Figuren auf ihr Piedestal drückte, krachte dieses zusammen; die Piedestale waren zu schwach construirt! Welche Verwirrung, welches ängstliches Umherschießen des aufgeputzten Oberbürgermeisters zwischen den rathlos ihre weißen Glacéhände faltenden Stadträthen! – Noch ehe die Standpfeiler von Innen gestützt und verstärkt werden konnten, war die Wartezeit vorüber. Der König fuhr mit seinem Gefolge ein; der begierig sich umschauende königliche Heros mußte es erblicken, wie die eine der Victorien über ihrem Piedestal an Ketten baumelte, die andere aber im Straßenschmutz am Fuße ihrer Standsäule die langen Arme emporstreckte, wie voll Jammer die Hände über dem belorbeerten Kopfe zusammenschlagend, während die reichen Blumen und Blätterguirlanden von Roß und Wagen in den Straßenkoth gestampft wurden. Dem konnte der geistreiche König vorerst keinen Witz abgewinnen; als man ihm aber später, im Empfangssalon, meine Zeichnung des Arrangements zeigte, um ihm zu erklären, „wie es hätte aussehn sollen“, – da witzelte er rückwärts zu dem hinter ihm devot-gebeugt stehenden damaligen Oberpräsidenten Bodelschwingh: „das war allerdings zu schwer für die Herren im Wupperthale!“Und andern Tages ach! es war ein zweiter Tag schmerzlicher Freudentäuschung! als der Monarch aus der Stadt hinaus und weiter fuhr, und der Himmel selbst ihn angehöhnt hatte, da ging ihm auch der eigene Witz aus und im Aerger schrie er dem neben ihm zitternden fast erbleichten Oberbürgermeister zu: „Das sieht ja aus, wie von Hunden angepißt!“ Der unglückliche Baumeister hatte nämlich den Kern , der beiden hier stehenden hohen Säulen“ aus Latten so construirt, daß sie die Streifen der Cannelirungen bildeten, hatte dann das Ganze so mit marmorartig bestrichenen Canevas bekleidet, daß die Säulen recht wohl in einiger Entfernung als aus Marmor gehauen angesehen werden konnten. Aber – wie viele verhängnißvolle „Aber“ mögen schon den besten Willen verwässert haben! – aber unmittelbar vor der Abfahrt des Königs hatten die fliehenden Frühlingswolken einen Schlagregen niedergesandt, der vom frischen Winde geleitet den Canevas an der einen der Stadt halb zugekehrten Seite völlig durch näßt hatte und ihn wie nasse Waschlappen um den Lattenkern schlottern machte. – „Heute“, so dachte ich, als der Preußenkönig mit seinem Becher in den Salon zurückwankte, – , heute wären die Empfangsdecorationen von damals noch passender gewesen!“ –