Entnommen aus: Hermann Joseph Aloys Körner, Lebenskämpfe in der Alten und Neuen Welt. Eine Selbstbiographie, Band 2, Zürich 1866, Volltext bei Google Books.

29. April bis 17. Mai 1848

Der Lehrer Hermann Joseph Aloys Körner wird in den Tagen des Elberfelder Aufstandes zu einer der führenden Personen. In seiner Autobiographie, veröffentlicht 1865 und 1866, erinnert er sich an diese Zeit. Zur besseren Lesbarkeit ist der Text hier an einigen Stellen gekürzt […] und in insgesamt 11 Abschnitte unterteilt.

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29. April 1849 – Versammlung auf der Wilhelmshöhe (Ostersbaum)

Die demokratischen Vereine in Rheinland und Westphalen hatten sich seit Vollendung der Grundrechte und der Reichsverfassung, um deren Durchführung zu bewirken, mittelst eines periodisch wechselnden Vorortes in engere Verbindung mit einander gefegt und waren seit dieser Zeit auf „Demokratischen Congressen“ thätig. Der nächste war auf den 6. Mai anberaumt und Elberfeld „Vorort“ geworden. Mitglieder dieser gemeinsamen Verbindungen waren nun auch dem Frankfurter „Märzverein“, beigetreten, der dasselbe, wie die „demokratischen Vereine“, und, wenn möglich, eine „Republik Deutschland“ bezweckte. […]

Nun kam noch gar die officielle „Ablehnung der deutschen Reichsverfassung und der Kaiserkrone von Seiten Preußens“, trog der entgegengesetzten Erklärung der preußischen Kammern; dann die Auflösung der letzteren sowie der in Dresden, und gleichzeitig die Vertagung der gleichen Versammlungen in Hannover und München Alles sicher nach geheimem Uebereinkommen. Damit brach aber auch ein rückhaltloses Toben des Volkes fast in ganz Deutschland aus.

Diese Stimmung benutzend, setzte der Elberfelder „politische Club“ eine Volksversammlung auf den 29. April an. Sie wurde auf der Wilhelmshöhe abgehalten. Solcher fanden auch gleichzeitig und nach geheimer Absprache in Solingen, Hagen, Iserlohn und an vielen Orten in der Mark und am Niederrhein statt. In der unserigen waren alle Volksklassen vertreten, am reichlichsten die „Preußische Landwehr“. Feuerzündende Reden wurden viele gehalten, von mir die letzte, weil mir die vorhergehenden nicht genügt hatten.

Der Hauptinhalt derselben, aus Mittheilungen meiner Freunde und aus Denunciationen Anderer genommen, folgender :

„Die festgestellten Grundrechte sind dem Geiste des deutschen Volkes entsprossen; Ihr kennt sie Alle. Freier und umfassender denn die, welche die berühmte Constitution der Vereinigten Staaten von Nordamerika enthält, sichern sie die Gleichberechtigung Aller und zugleich jede Freiheit, die von der Vernunft als solche anerkannt ist. Mit ihrer feierlichen Verkündigung durch unsere Nationalversammlung sind diese Grundrechte tief und für immer in das Herz eines jeden Deutschen eingesenkt, gleichviel, welchem Stamme er angehöre mag

[…]

Ja, Ihr deutschen Männer, laßt uns handeln! So lange unsere Gerichte nicht nach den deutschen Grundrechten erkennen wollen, laßt uns selbst nach ihnen zu Recht erkennen! Sage es Jeder dem Andern, leise unter vier Augen, oder kühn und laut zu Allen, wie ich’s hier thue – sagt es von den Fenstern und Dächern herab: ich werde von nun an keinen Rechtsspruch anerkennen, keiner Anordnung Folge leisten, keinem Befehle gehorchen, welcher den Grundrechten, der Reichsverfassung entgegen ist! Laßt uns Alle, laßt das ganze deutsche Volk schwören: daß keine Erlasse, keine Befehle, keine Gewalt, auch nicht die der Bajonnete, diesen Vorsatz erschüttern sollen.

Dann wollen wir auch gleich mit männlichem Ernste von PreuBens König fordern: daß er sein vaterlandfeindliches Ministerium sofort entlasse, es ins Exil schicke. Laßt uns mit unerschütterlicher Festigkeit fordern: daß dieser König unsere Grundrechte und unsere Reichsverfassung anerkenne , wie es der König von Würtemberg gethan, wie er’s hat thun müssen; und daß er als erwählter erster Beamter des Volkes, als gewählter Kaiser, diese unsere Verfassung durchführe, treu und kräftig. Dieser durch die Wahl des Volkes so hochgeehrte Mann muß die Kaiserkrone annehmen! Thut er’s nicht, so ist er ein offener Verräther am deutschen Volke. Dieser Mann er muß mit dieser Würde zu Ehren kommen oder an der Weigerung ehrlos untergehen er, der König und sein Haus, die ganze Hohenzollern’sche Dynastie! […]“

Die begeisterte Zustimmung der vielen tausend Zuhörer hatte jeden Theil dieser Rede unterbrochen. Beim Schlusse wurde ich auf den Schultern der Landwehrmänner von der Rednertribüne getragen. Es wurde dann noch beschlossen, am nächsten Tage der Regierung in Düsseldorf die schon einstimmig angenommene. „Erklärung“ zur schleunigsten Vorlage an den König durch eine Deputation von tausend Bürgern zu überbringen. Denselben möge sich noch jeder Gleichgesinnte, mit schwarz-roth-goldenen Schleifen geschmückt, anschließen. Vor Allen beschlossen die Landwehrmänner dann noch in ihrem eigenen Kreise, sich zahlreich daran zu betheiligen, und sich morgen eine Stunde vor der Abfahrt, unter der „Freiheitseiche“ auf dem neuen Markte zu versammeln. – Dr. Höchster und ich selbst waren als Führer der Riesendeputation gewählt worden.

[…]

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