17. Mai 1849 – Auf der Flucht

Zwei Uhr Nachts war es — also am 17. Mai, dem Himmelfahrtstage Christi! — als es Mirbach möglich wurde, seinen Leuten draußen die Versicherung zu geben: daß er nun die Kriegscasse in Empfang genommen und den sicheren Transport der Munition angeordnet habe; dann erst legten sich die Müden, mit ihrer Waffe in der Hand, auf einige Stunden zur Ruhe nieder. – Da lagen sie nun umher, die armen Getäuschten, im Bürgersaal und auf den Gängen und in allen zugänglichen Räumen des Rathhauses, bunt und wüst durcheinander – fast eben so, wie und wo ich sie in der Nacht nach dem Barricadenkampfe gefunden hatte. Aber, welche sorgenvolle, schreckvolle Tage lagen zwischen diesen beiden Nächten! – „Und dieß Alles umsonst?“ so fragte es mich im Innern, – und es wollte mir die Antwort fast das Herz abdrücken.

Mit Mirbach einigte ich mich, daß er seine Mannschaften gleich hinter Kronenberg in zwei Colonnen theile, von denen die Eine unter dem tüchtigen Röse über Solingen gehen solle, um sich mit den etwa noch unter Küpper bei Opladen stehen: den Mannschaften zu vereinigen, und von da über Lindlar und Hohensiegburg durch den Westerwald und das Neuwied’sche nach Nassau zu marschiren, die Andere aber er selbst gegen Lüttringshausen und Iserlohn führe, um dort die Iserlohner und andere etwa abziehende Bewaffnete aufzunehmen und vereinigt mit diesen sich in die mittlere Lahngegend zu werfen, wo ich selbst, dahin vorauseilend, beide Colonnen mit meinen Freunden aus Mainz erwarten werde. Gleichabgeschicke Eilboten nach Iserlohn und Neuwied sollten dort die helfenden Vorbereitungen veranlassen.

Weil viele von unsern Mannschaften im Innern des Rathhauses keinen Ruheplatz gefunden, hatten sie sich auf die Steintreppen, Brüstungen und das Steinpflaster um das Rathhaus herum hingestreckt. Drum blieb ich denn, um mit für sie zu wachen, auch draußen, in meinen Mantel gehüllt und an einen der Bronzelöwen am Eingange angelehnt, fast gedankenlos in die schwarz-dunkle Nacht schauend, die selbst in der Nähe nur wenig von dem rothen Flammenschein einiger Wachtfeuer erhellt war. Da schlichen wohl manche der Herren vom Besitze, die mich noch vor zwei Wochen in den politischen Spectakel hineinermuntert und auch zu einem Kampfe mir Anfangs Mittel gegeben hatten, lauernd vorbei; aber keiner kam zu mir auf die Treppe, um „Abbitte“ zu thun für seine Feigheit und seine niedrige Gemeinheit; nicht einmal um mir ein heuchlerisches Bedauern zu bezeigen, daß ich nun „ein ruinirter Mann“ geworden. Wie die Ruine eines Hauses von Mäusen und Ratten, so war ich von ihnen verlassen. — ,,Wahr!“ seufzte ich, „das Unglück ist das richtigste Thermometer für die Freundschaft“. –

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