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Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

[Juni 1815]


Die auffallend große Bevölkerung des Herzogthums Berg nach Verhältnis seines Flächen=Raums deutet die Menge und Reichhaltigkeit der Fabrikken und Manufacturen an, welche dieses Land besizt

Die Hauptgegenstände und Erzeugnisse sind folgende

I.) Baumwollen Zeuge, und Baumwollen Spinnereien

Alle Zeuge, zu welchen Baumwolle den Urstoff hergibt, werden, im Bergischen fabrizirt, als: Sack= und Hals Tücher, Siamoisen, Nanquin, Nanquinetts, toile de cotton, dimity, Ginghams, Maderas, Manchester, Westen=Zeuge, Pferdedekken &c.
Im Kreise Elberfeld und zwar in Elberfeld und Barmen ist der Hauptsitz dieser Fabrikken. Baumwollen Spinnereien nach englischer Art bilden einen eigenen wichtigen Gewerbzweig. In den Kreisen Elberfeld, Düßeldorf und Wipperfürth sind große Spinnereien, welche durch Waßer, durch Pferde und durch Menschen=Hände getrieben werden.

II.) Fabricken in Leinen und Garnbleichereien.

Die vorzüglichsten derselben bestehen in Elberfeld und Barmen, man fabrizirt leinen Bänder, Schnürriemen und Kordelen, Bonten für Matrosen=Hemder, Bettzwillich. u. s.w.
Hiermit ist ein wichtiger Gewerbszweig, die Garnbleichereien, verbunden. Vormals waren dieselbe ein Monopol für die Stadt Elberfeld und für Barmen, und behaupten bis gegenwärtig durch die erreichte Vervollkommenung einen ausschließlichen Vorzug vor allen andern ausländischen Garnbleicherein.

III. Seiden=Zeuge

Seidene Tücher, gewebt und gedruckt in allen Farben, seidene Stoffen, seidene und halbseidene und sammt Bänder, halbseidene und halb baumwollene Zeuge, seidene Westen, Litzen, Schnuren, Sammet in allen Farben werden im Bergischen fabrizirt. Die meisten dieser Manufacturen sind in der Stadt Elberfeld und in Barmen. Auch an anderen Orten bestehen bedeutende Fabrickanstalten dieser Art – nemlich in Mülheim am Rhein, Ronsdorf, Langenberg, Kaiserswerth &c.

IV.) Wollene Zeuge.

Ganz feine, feine, mittel und ordinäre Tücher und Casimire sind die Haupt=Erzeugniße. Die Stadt Lennep vorzüglich, und die Oerter Hückeswagen, Barmen, Lüttringhausen, Rade vorm Wald, Wipperfürth &c. sind die Haupt=Sitze dieses Gewerbfleißes, mit welchem ansehnliche Anstalten von Wollenspinn= und Tuchscheer Maschinen in Verbindung stehen, die wegen ihrer Vervollkommenung, eben so wie die einländischen Baumwollspinnereien den englischen gleich gestellt werden können. [Solingen-]Bourg liefert wollene Dekken, die durch eine vorzügliche Güte berühmt sind.

V. Färbereien.

Die Färbereien im Bergischen nicht nur für den Bedarf aller einländischen Fabrikken, sondern auch für den Handel mit gefärbten Baumwollen=Garns in das Ausland bieten einen großen Gewerbzweig dar, und unter diesem ist das so genannte türkisch roth, oder das roth gefärbte Baumwollen Garn ein reichhaltiger Artikkel, welcher vormals nur in der Levante zu haben war, durch die Anstrengung des bergischen Kunstfleißes aber ganz einheimisch geworden und vor der Konkurrenz anderer Länder, worin dieser Gewerbs Zweig nachgeahmt wird, einen entschiedenen Vorzug hat. Hauptsächlich bestehen diese Färbereien in Elberfeld, sodann in Barmen und Düßeldorf &c.

VI. Eisen und Stahl.

Im Bergischen bestehen eine Menge Eisen=Hämmer und Hüttenwerke und zwar die meisten in dem obern Theil des Landes – vorzüglich im Kreise Wipperfürth.
Vor allem aber zeichnen sich durch Verschiedenheit, Güte und Vollkommenheit die Eisen= und Stahl=Fabrikken aus. In dem Kreise Elberfeld und zwar in den Orten Solingen, Remscheid, Wald und Cronenberg, sind die Hauptsitze dieses Gewerbes.
Solingen ist berühmt wegen seiner Klingen, als: Säbel, Degen, Rappier, Lanzen, Hellebarden, Bajonette, Ladstöcke, wegen seiner Meßer, Gabeln und Scheeren aller Art – wegen der Quincaillerie [Kurzwaren, JNK], Stahl=Waaren, als alle Sorten Chirurgische Instrumenten, Uhrmacher= und Silberschmiedgeräthschaften, stählerne Degen=Gefäße nach englischer und französischer Art.
Remscheid und Cronenberg haben eine Menge Eisen= und Stahl=Hämmer. Außerdem liefern die berühmten zahlreichen Fabrikken dieser Oerter Sensen und alle übrigen Ackerbaugeräthschaften, Sägen, Feilen, Meißeln, Aexte, Hämmer, Hobeleisen, Schlößer, Gehänge, Nägel, überhaupt alle für Tischler und Zimmerleute, für den Colonie=Haus= und Schiffbau erforderlichen Werckzeuge, des gleichen alle Kriegsgeräthschaften. Wald zeichnet sich durch eine entstandene Guß=Stahl=Fabrick nach Englischer Art aus. – Dieser Ort, so wie Greefrath, Rade vorm Wald, Ronsdorf, Hückeswagen, Lennep, Lüttringhausen im Elberfelder Kreise und Velbert im Düßeldorfer Kreise haben Eisen= und Stahlhämmer, Schleifmühlen und Eisen=Fabricken, zum Theil in vorbenannten Gegenständen. –
Die sämtlichen in den Bergischen Eisen= und Stahl=Fabrikken verfertigt werdenden Artikkeln belaufen sich beinahe auf sechs tausend.

VII. Verschiedene Erwerbszweige

Außer genannten Haupt=Gegenständen begreift das Großherzogthum Berg noch eine Menge, und fast alle nur erdenckliche Zweige des Gewerbs und Kunstfleißes in sich! Hierhin gehören mehrere Metall=Fabricken, platineten und Compositions=Waaren, – Schleifmühlen, Papier= und Leder=Fabrikken, Oel=Mühlen, Walckmühlen, Lohgerbereien, Leder=Arbeiten, Farbholtz=Mühlen, Pulver-Mühlen, Mineral-Blau=Fabrikken, Pottasch-Siedereyen, Allraun=Seiffen= und Salmiack=Siedereien, Tabacks=Mühlen und Fabrikken, Bier=Brauereien, Brandweinbrennereien und der Gewerbe mehrere, welche in der Statistick des Landes einen wichtigen Theil ausmachen.

VIII. Handel

Handel aller Art enthält das Herzogthum Berg und unter diesem mehrere Wechsel=Häuser und Handlungen von sehr wichtigem Umfange. Die meisten dieser Etablißements sind in den Städten Elberfeld, Düßeldorf, Barmen, Mülheim am Rhein, Mülheim an der Rhur, Ronsdorf &c.

IX. Absatz

Der Absatz der Bergischen Fabrick-und Manufactur-Waaren gehet nach allen Welt-gegenden, wo nur ein Markt dafür zu finden und die Einfuhr erlaubt und nicht zu sehr erschwert ist.

Baumwollen Waaren nach Amerika, Holland, Italien, der Schweitz, Hamburg und Bremen, Dänemarck, nach den Meßen in Teutschland &c. Leinen Bänder und Zeuge nach Amerika, Portugall, Spanien, Franckreich, den Colonien, dem nördlichen Teutschland u. s. w.
Seiden Zeuge nach Holland, Hamburg und Bremen, nach Teutschland, den bekannten teutschen Meßen &c.
Die wollenen Waaren, als Tücher und Casimire, nach Nordamerika, nach Preußen, Baiern, Schwaben, der Schweitz und nach Italien, nach den Hanseestädten &c. – Gefärbtes Baumwollen Garn nach Sachsen, Baiern, Schwaben, Böhmen &c. – Gebleichtes und ungebleichtes leinen Garn nach Belgien, Franckreich, der Schweitz &c. – Eisen und Stahlwaaren nach Teutschland, Franckreich, Spanien, Portugall, Italien, Schweitz. Dänemarck, Rußland, Amerika und nach den Westindischen Colonien, der Levante, dem Vorgebürge der guten Hoffnung &c.

X Urstoffe.

Die Bergischen Fabrick= und Manufactur=Waaren beziehen ihre Urstoffe
Baumwolle, aus Amerika. West=Indien, und der Levante;
Leinen Garn aus Minden, Osnabrück, der Grafschaft Ravensberg, – aus Braunschweig, Hildesheim, Wolfenbüttel, Hannover und Heßen.
Seide aus Italien.
Schaafwolle aus Spanien, Schlesien und Sachsen, ordinäre rohe Tücher aus Schlesien und Sachsen, welche im Bergischen vollends Zubereitung erhalten.
Farbwaaren werden bezogen aus Amerika, der Levante, aus Franckreich, Holland und Braband – und durch den Zwischenhandel aus Amsterdam, Hamburg und Bremen, Pottasche aus den Rheingegenden, dem Herzogthum Westphalen &c.
Stahl, Eisen, Meßing, Kupfer, Zinn, Bley, aus der Grafschaft Marck, Siegen, Dillenburg, dem Naßau=Usingschen, dem Herzogthum Westphalen, aus dem Sayn=Altenkirchischen, aus den Rheingegenden und aus Schweden.
Steinkohlen, ein Bedürfnis für die Eisen=Fabrikken, die Bleichereien und Färbereien aus der Grafschaft Marck

X. Hinderniße.

Überall sind dem Absatz Hinderniße in den Weeg gelegt. Oestreich, England, Rußland, Franckreich und Belgien haben die Einfuhr der Seiden=Baumwollen Waaren und wollenen Tüchern verboten.
Die Leinen=Waaren müßen in Franckreich eine bedeutende Zoll=Abgabe von 10 bis 50% ertragen. In England und Oestreich sind sie verboten. In Franckreich ist die Einfuhr der Eisen= und Stahlwaaren größesten Theils verboten. Die wenigen, welche einzuführen erlaubt sind, zahlen 40 bis 50%. In Rußland, Oestreich und England ist die Einfuhr der Eisen= und Stahl=Waaren ganz verboten; außer einige wenige Artikkeln, welche jedoch nicht von Belang sind. In allen Ländern und Weltgegenden stehen dem Verkehr mit diesen und den übrigen bergischen Fabrick=Waaren viele Hinderniße im Wege, im Gegensatz mit andern Staaten, besonders Engelland, welches Begünstigung genießet.
Baiern, Würtemberg und Baden laßen sich bedeutende Abgaben bezahlen.
In Portugall und Spanien werden von allen Waaren übertrieben hohe Abgaben gefordert. – Franckreich, England und Belgien haben die Einfuhr des gefärbten und ungefärbten baumwollen Garns verboten.
In Amerika müßen 16 bis 20 – in Kriegszeiten das Doppelte im Einfuhrrechte von allen bergischen Waaren bezahlt werden.
Holland fordert verschiedene Abgaben von den transitirenden und eingehenden bergischen Fabricaten.
Zum Nachtheil der Bergischen Tuchfabricken dürfen die besten Gattungen von Schaafwolle aus England und Franckreich nicht ausgeführt werden. Sogar ist der Transit fremder Wolle durch diese Länder verboten.
Die Einfuhr der Tücher und Kasimier aus Oestreich, England und Frankreich, dann aus Sachsen und Polen bringen den bergischen Tuch=Fabrikken großen Nachtheil. So wie die Einfuhr=Verbote und Mauth=Abgaben fremder Staaten dem Bergischen Kunst= und Gewerbfleiß den Verkehr nach Außen verschließen und erschweren, so wird derselbe im Innern und im Auslande durch das Übergewicht des englischen Handels erdrückt, welcher eine Menge Mittel und Vorzüge an Übermacht zur See, an Reichthum, an Colonien=Besitz, an inneren Vortheilen zur Begünstigung der Indüstrie und wo Vollkommenheit der Fabrikken, Manufacturen und Maschinerien geltend macht, um die Fabrikken und Manufacturen des festen Landes zu verdrängen. Insbesondere schadet dem einländischen Gewerbfleis die Überschwemmung mit englischen Fabricaten, Manufactur=Waaren und Gespinsten, welche aufgehäuft in Commißions=Lagern endlich, wann keine Nachfrage zu Preisen nach Werth mehr ist, zu jedem Preise unterm Werth verkauft, die Concurrentz einländischer Fabrikken unmöglich gemacht und diese still gesetzet werden.