Satzung des Constitutionellen Vereins.

Elberfelder Zeitung Nr. 121 vom 1.5.1848

entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989

1.5.1848


Elberfeld, den 30. April. Eine zahlreiche Versammlung unserer Mitbürger ist gestern Abend zur Begründung eines conſtitutionellen Vereins in dem Saale des Hrn. Königsberg auf dem Döppersberge zusammengetreten. Dieselbe beschäftigte sich zuvörderst mit der Aufstellung derjenigen Gesichtspunkte, welche die Thätigkeit des Vereins zu leiten bestimmt sind und hat sich hierüber in folgender Weise ausgesprochen:

In der Ueberzeugung daß es wünschenswerth sei, die Kreise in welchen die Entwickelung des politischen Bewußtseins angestrebt wird, zu vervielfältigen, tritt der constitutionelle Verein zusammen, um durch Besprechung und Untersuchung derjenigen Fragen, welche das bürgerliche und staatliche Leben darbietet, eine Ueberzeugung über die praktische Lösung derselben zu gewinnen und zu verbreiten und dadurch auf eine bewußte Theilnahme der Staatsbürger an öffentlichen Angelegenheiten hinzuwirken. Derselbe bekennt sich zu den Grundlagen der constitutionellen Monarchie, der ausgedehntesten und berechtigtsten Berufung aller Staatsbürger, zu den öffentlichen Angelegenheiten und der Gestaltung Deutschlands, zu einer Staatseinheit unter einer die gemeinsamen Angelegenheiten leitenden Gesammtregierung.

Die Versammlung ging sodann dazu über, diejenigen Maßregeln und Ansichten zu besprechen, in deren Ausführung sie den Ausdruck dieser Grundsätze findet, damit über die Art wie sie dieselben auffaßt kein Zweifel stattfinden möge und sich zugleich vorläufig für ihre Arbeiten Gegenstand und Maaß feststelle.

Unter Festhaltung der bereits in jüngster Zeit gesetzlich festgestellten Rechte erblickte die Versammlung vorläufig in folgenden Sätzen die Richtpunkte für die Umgestaltung unseres öffentlichen Lebens:

1) eine im Einverständnisse der Fürsten begründete Reichsverfassung Deutschlands, welche der Reichsregierung diejenigen Angelegenheiten, welche ganz Deutschland betreffen, überweist und die Reichsgesetzgebung dem Zusammenwirken des Reichshaupts der Fürsten und der Abgeordneten anvertraut ;

2) die Staatseinheit Deutschlands für allgemeine Angelegenheiten erscheint nur dadurch für die Dauer gesichert, daß der König von Preußen an die Spitze Deutschlands als dessen Reichsoberhaupt gestellt wird ;

3) die Einzelstaaten fahren fort ihre besonderen Interessen innerhalb der durch die Reichseinheit gebotenen Beschränkungen zu wahren;

4) in Preußen werden die Gesetze, welche das besondere Interesse erfordern, durch die Vereinbarung des Königs und der Abgeordneten festgestellt;

5) der König ist im alleinigen Besitze der vollziehenden Gewalt, seine Minister sind dafür verantwortlich, daß die Ausübung derselben innerhalb der Schranken des Gesetzes erfolge

6) die Gemeinen verwalten sich selbst und so unabhängig als es die Rücksicht auf die Einheit des Staates gestattet; es werden ihnen nicht blos die Angelegenheiten, welche sie allein betreffen, sondern auch die, welche in ihnen zunächst zur Ausführung gelangen, überwiesen ;

7) auch in den höhern Verwaltungskreisen (Kreisen, Regierungsdepartements, Provinzen) gelangt der Grundsatz der Selbstregierung des Volkes zur Anwendung, ohne jedoch die Thätigkeit von Delegirten der Staatsregierung, welche durch deren nähere Beziehung zum Ganzen des Staates nöthig gemacht wird, auszuschließen ;

8) die innere und äußere Freiheit und Sicherheit Deutschlands werden durch eine geordnete Volksbewaffnung gewährleistet; die in dem ihr angehörigen stehenden Heere ihre Bildungsanstalt findet und sich an dasselbe anschließt. Eine Kriegsflotte vollendet das deutsche Wehrwesen;

9) die allgemeine Wohlfahrt Deutschlands werde gesichert durch eine die Nationalthätigkeit vertheidigende Zollgesetzgebung, durch eine Reorganisation der Gewerbe, welche, hervorgegangen aus einer die gegenseitigen Verhältnisse der Arbeiter und Arbeitgeber würdigenden Benutzung des Associationsrechtes, dem Stande der Arbeiter eine ehrenhafte Stellung in Gemeine und Staat gewährt, und durch Leitung der Auswanderung zur Begründung deutscher Colonien ;

10) für ganz Deutschland ein Strafrecht ein gerichtliches Verfahren; das Handelsrecht ist den Beschlüssen der Reichsgewalt anheimgegeben.

Die Versammlung behielt sich vor, im Laufe ihrer Arbeiten diese Sätze zu vervollständigen.

Bei den Verhandlungen über die Geschäftsordnung machte sich die Ansicht geltend, daß die Besprechungen vom Platze aus zu führen seien, theils um dem Ueberschweifen der Erörterung des vorliegenden reichhaltigen Stoffes in bloße rhetorische Uebungen auszuweichen, theils auch um diejenigen Kräfte für die Arbeiten zu gewinnen, welche bei einem Reichthum von Erfahrung und bei der vollendetsten Durchschauung des Gegenstandes doch sich nicht die Fertigkeit und Sicherheit der Rede zutrauen, um mit Zuversicht auf eine Tribüne zu steigen, welche daher kein Bedenken tragen werden sich in der Rede vom Platze aus, welche dem Character der geselligen Unterhaltung sich mehr anschließt, zu versuchen.

Der Verein beschloß seine Arbeiten am 3. d. M. Abends 7 Uhr fortzusetzen.