Autor: Talonaut

Berufsschein des Lehrers Franz Abraham Fuchs

Berufsschein des Lehrers Franz Abraham Fuchs

StA Wuppertal L I 129

entnommen aus: Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989

2. Juni 1838


Nachdem Sie, Herr Franz Abraham Fuchs, zum Elementarlehrer an der evangelisch-lutherischen Pfarrschule im Thomashof, hieselbst, berufen und ernannt worden sind, wird Ihnen über die mit dieser Stelle verbundenen Obliegenheiten und Verpflichtungen, Einkünfte und Vortheile, gegenwärtige Berufs=Urkunde ausgefertigt.

1. Sie haben an allen Wochentagen, Vormittags von acht bis elf Uhr und ebenso, mit Ausnahme des Mittwochs und Sonnabends Nachmittags von ein bis vier Uhr die Schuljugend in allen Elementarkenntnissen, namentlich in der deutschen Sprache, im Lesen, Schreiben, Kopf= und Tafelrechnen, Singen, insbesondere der Kirchenmelodien, und in der biblischen Geschichte, so wie auch in andern der Jugend nützlichen Kenntnissen, nach einer guten Methode treulich und gründlich zu unterrichten, und durch Ihren Unterricht dahin zu wirken, daß die geistigen Kräfte der Kinder geweckt und ausgebildet werden. Die jährlichen Ferien sind: Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, von Donnerstag vor Charfreitag bis Donnerstag nach Osternund endlich vierzehn Tage im Herbste, zu einer Zeit die von der Schul=Commission als die schicklichste erkannt und bestimmt wird.

2. Ganz vorzüglich haben Sie sowohl durch Ihren Unterricht, als durch Ihren Wandel und Ihr Beispiel dahin zu wirken, daß die Ihnen übergebene Jugend zur Frömmigkeit und Gottesfurcht erweckt, mit Liebe zu Gott und zu Jesu und seinem Worte erfüllt, und zu einem frommen, gesitteten und bescheidenen Betragen, wie es einer christlichen Jugend geziemt, namentlich auch zur Ehrfurcht vor der Obrigkeit und den Landesgesetzen wie Liebe zu König und Vaterland, angeleitet werde. – Sie haben deshalb die Kinder mit Bibelsprüchen, erbaulichen Liederversen, so wie auch mit dem Inhalte, der bei den Gemeinden eingeführten Katechismen nach Anleitung der Herren Pfarrer bekannt zu machen, den Unterricht jedesmal mit Gebet zu beginnen und zu beschließen, der Jugend durch fleißige Theilnahme am öffentlichen Gottesdienste mit einem guten Beispiel vorzuleuchten, und dieselbe soviel an Ihnen ist, zu einem gedeihlichen und gesegneten Kirchenbesuch anzuhalten, überhaupt Alles anzuwenden, was zur Erreichung frommer und gottesfürchtiger Gesinnung, der Vaterlandsliebe gereichen möge.

3. Die Schulzucht haben Sie mit väterlichem Ernst und mit Liebe zu handhaben, und Ihre Strafen, die niemals, bei Vermeidung der gesetzlichen Ahndung in Mißhandlung ausarten dürfen, immer so einzurichten, daß sie als wahre Besserungsmittel des Sinnes und des Wandels der Kinder wirken. Bei vorkommenden Störungen und Hemmungen Ihrer amtlichen Wirksamkeit, namentlich bei Zwistigkeiten mit den Eltern der Kinder, haben Sie sich an den Schulvorstand zur Beseitigung derselben zu wenden.

4. Sind Sie verbunden die von der Schulcommission für erforderlich gehaltene Anzahl Gehülfen bei Ihrer Schule zu halten, welche in den andern Klassen den Unterricht ertheilen; dieselben ohne besondere Vergütung in Ihre Wohnung aufzunehmen und zu beköstigen. Die Anstellung dieser Gehülfen geschieht nach den darüber bestehenden höheren Verordnungen. Ueber den Wandel und die amtliche Wirksamkeit derselben haben sie sorgfältig zu wachen, und stets dahin zu sehen, daß Unterricht und Schulzucht von denselben auf eine zweckmäßige Art ertheilt und gehandhabt werde.

5. Ueber den Schulbesuch der Jugend haben Sie in Gemäßheit der darüber bestehenden und noch zu erlassenden höhern Verordnungen genau Aufsicht zu führen, die Schulversäumnisse sorgfältig zu vermerken, und die darüber aufzustellenden Listen zur rechten Zeit einzureichen, überhaupt aber durch zweckmäßiges und weises Benehmen mit den Eltern des Schulbezirks, so wie durch treue Erfüllung Ihrer Pflichten dahin zu wirken, daß der Schulbesuch nach seiner Wichtigkeit und seinen segensreichen Wirkungen immer mehr erkannt, und dadurch immer regelmäßiger und die Schulversäumnisse immer seltener werden.

6. Ueber die Vertheilung der Unterrichtsgegenstände haben Sie einen Stundenplan anzufertigen, und solchen, nachdem er von der Schulcommission revidirt und festgestellt ist, in der Schulstube anzuheften und nach diesem Stundenplan den Unterricht regelmäßig zu ertheilen. Die Einführung neuer Schulbücher darf nicht ohne Vorwissen des Schulvorstandes und Genehmigung der Behörde geschehen.

7. Alljährlich haben Sie, wenn es von Ihrer vorgesetzten Behörde für dienlich erachtet wird, eine öffentliche Schulprüfung auf eine zweckmäßige Weise zu veranstalten und das Programm zu derselben vorher dem Schulvorstande vorzulegen.

Ueberhaupt aber erwarten wir von Ihnen, daß Sie die Wichtigkeit Ihrer amtlichen Stellung stets erkennen, Ihre Fortbildung eifrig erstreben, die Pflichten Ihres Berufs mit Liebe und Eifer erfüllen, den gegenwärtigen oder noch zu erlassenden Verordnungen der Schulbehörde treulich und willig nachkommen, Ihren Vorgesetzten alle geziemende Achtung und Folgsamkeit beweisen, und überhaupt Ihr Amt so wahrnehmen werden, wie es einem gesitteten und frommen Lehrer der Jugend geziemt und wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können.

Für die treue Erfüllung Ihrer Berufspflichten erhalten Sie:

1. Das gesetzliche Normalgehalt von sechs und sechszig Thalern zwanzig Silbergroschen preußisch Courant.

2. Eine nach den Verhältnissen der Schule bemessene persönliche Zulage von dreizehn Thalern zehn Silbergroschen, wogegen wir uns dreißig Freistellen für arme Kinder vorbehalten, deren Verleihung der Schulcommission zusteht.

3. Für jeden qualificirt und vorschriftsmäßig angestellten Gehülfen eine jährliche Besoldung von vierzig Thalern.

4. Von jedem Schulkinde erhalten Sie ein monatliches Schulgeld von 7 1/2 Silbergroschen und von den Schreibschülern noch einen Silbergroschen mehr, außerdem für das Wintersemester das herkömmliche Kohlengeld. Hinsichtlich der etwa vorkommenden Restanten haben Sie nach den bestehenden Verordnungen zu verfahren. Für die Ihnen von der Armen=Verwaltung überwiesenen Armenkinder wird Ihnen das Schulgeld zu dem Satze von drei Silbergroschen monatlich, nach dem wirklich genossenen Unterricht der höhern Verordnung gemäß vergütet.

5. Freie Wohnung im Schulhause.

Noch bemerken wir, daß für die Wittwen der hiesigen Elementarlehrer, eine durch den Herrn Dr. Wilberg gestiftete Wittwenkasse besteht, zur Theilnahme an derselben sind Sie verpflichtet und berechtigt, wie die Statuten dieser Stiftung solches näher bestimmen.

So geschehen Elberfeld am zweiten Juni 1800 acht und dreißig
Die Schul=Commission
Namens derselben:
v.Carnap

Reglement der Dampfweberei und Winderei M. Leser & Comp

StA Wuppertal J V 207

entnommen aus: Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989

1. Januar 1855


Reglement

für
das in der Dampfweberei und Winderei
von

M. Leser & Comp.
beschäftigte Arbeiter=Personal

Allgemeine Bestimmungen.

§. 1. Mit dem Eintritt in die Fabrik erhält eine jede Arbeiterin ein Büchelchen , in welchem dieses Reglement vorgedruckt ist, und über dessen Empfang sie, und bei Unmündigen die Eltern oder Vormünder zu quittiren haben.

§. 2. Jede Arbeiterin hat, bevor sie bei uns Arbeit erhalten kann, über ihre bisherigen Leistungen einen Schein ihres letzten Arbeitgebers beizubringen. Dieser Schein sowie die Quittung über das erhaltene Büchelchen bleiben in unseren Händen.

§. 3. Die hierorts übliche Kündigungsfrist von Vierzehn Tagen gilt auch bei uns für beide Theile. Wir behalten uns jedoch vor, in dem Falle, daß Arbeiterinnen durch Ungehorsam, unsittliches Betragen u. s. w. unsern Vorschriften zuwiderhandeln , dieselben ohne Kündigung oder Entschädigung sofort zu entlassen. Letzteres tritt auch ein, wenn die Arbeiter die ihnen übertragenen Arbeiten nicht zu unserer Zufriedenheit herstellen.

§. 4. Jede Arbeiterin hat die Arbeitsstunden genau einzuhalten, welche das in jedem Saal angeheftete Reglement vorschreibt; sie muß sich ordentlich und reinlich in der Fabrik einfinden und sich ohne Aufenthalt oder Geräusch an ihre Arbeit begeben, auch während des Tages im Arbeitszimmer sowie auf den Treppen und Gängen jedes unnöthige Geräusch vermeiden.

§. 5. Jeder Verstoß gegen die im §. 4 enthaltenen Bestimmungen hat zum ersten Male eine Verwarnung zur Folge; die erste Wiederholung wird mit einem, die zweite mit fünf Silbergroschen bestraft, — die dritte aber hat sofortige Entlassung zur Folge. Die auf diese Weise eingehenden Strafgelder werden in einer verschlossenen Büchse gesammelt, und helfen die Kosten eines jährlich zu feiernden gemeinsamen kleinen Festes bestreiten.

§. 6. Den Vorschriften und Anordnungen ihrer unmittelbaren Vorgesetzten — sei es in Betreff der Handhabung der Maschinen oder in Bezug auf die Arbeit selbst — hat jede Arbeiterin auf das Genaueste nachzukommen.

§. 7. Alle Geräthschaften oder Utensilien, welche eine Arbeiterin von uns empfängt, werden ihr in dieses Büchelchen eingeschrieben, und sind uns beim Ausscheiden aus der Fabrik gut erhalten zurückzugeben. Fehlende oder durch Schuld der Arbeiterin verdorbene Sachen muß diese auf ihre Kosten ersetzen.

§. 8. Jede Arbeiterin hat sich auch außerhalb der Fabrik eines moralischen Lebenswandels zu befleißigen, und muß nicht nur selbst treu und redlich sein, sondern auch, sobald ihr eine noch so kleine Veruntreuung seitens einer Mitbeschäftigten bekannt wird, uns sofort Anzeige davon machen, da sie andernfalls als Mitschuldige angesehen und mit sofortiger Entlassung bestraft wird.

§. 9. Eine jede nachweisliche Veruntreuung seitens einer Arbeiterin wird — abgesehen von dem Ersatz für das Entwendete — durch die öffentlichen Blätter bekannt gemacht, damit ein jeder vor dergleichen Dieben gewarnt werde.

§. 10. Dagegen sollen diejenigen fünf besten Arbeiterinnen, welche sich im Laufe des Jahres durch ihre Moralität und Betragen wie durch pünktliche und gute Arbeiten ausgezeichnet haben, mit einem Sparkassenbuch von je zehn Thaler belohnt werden.

§. 11. Es ist allen Arbeiterinnen auf das strengste verboten, irgend jemanden, sei es einen Verwandten oder Bekannten, sobald dieser nicht zur Fabrik gehört , darin einzuführen, auch dürfen dieselben während der Arbeitszeit die Fabrik nicht ohne besondere Erlaubniß verlassen.

§. 12. Um unsern Arbeiterinnen in Krankheitsfällen die Wohlthat der ärztlichen Hülfe und Arznei in vollem Maaße zu Theil werden zu lassen, errichten wir für den weiblichen Theil unserer Arbeiter eine Kranken- und zugleich eine Sterbe-Kasse, der eine jede Arbeiterin beitreten muß. Die Bestimmungen, wonach diese Kasse eingerichtet , sind folgende:

a. Tritt ein Krankheitsfall bei einer Arbeiterin ein, so muß dieselbe gleich bei dem betreffenden Aufseher Anzeige machen, und sorgt dieser dafür, daß der Kranken die ärztliche Hülfe und Arzenei sowie ein Thaler wöchentlich als Unterstützung zu Theil werde.

b. Zur Bestreitung der Kosten dieser Kasse wird einer jeden Arbeiterin von jedem Thaler ihres verdienten Lohnes ein halber Silbergroschen bei der Auszahlung abgehalten. Die am Ende eines jeden Jahres etwa überschießende Summe wird bei uns als Kapital niedergelegt und mit 5 % jährlich verzinst. Sollten die eingezahlten Beiträge zur Bestreitung der Auslagen zeitweise nicht hinreichen, so werden wir der Kasse Vorschüsse machen, für die jedoch keine Zinsen in Anschlag kommen.

c. Die unter a vermerkten Unterstützungen hören auf, sobald der Fabrikarzt erklärt, daß die Erkrankte sich die Krankheit durch eigenes Verschulden zugezogen , ferner wenn dieselbe nach Ausspruch des Arztes wieder arbeitsfähig und ebenso, wenn nach dessen Anspruch die Krankheit unheilbar ist , indem keine Pension, sondern nur Unterstützungen für vorübergehende Krankheiten aus der Kasse geleistet werden sollen.

d. Stirbt eine unserer Arbeiterinnen, so erhalten deren Eltern oder sonstige Hinterbliebene behufs Bestreitung der Beerdigungskosten und der zu diesem Zwecke erforderlichen Anschaffungen aus der Kasse die Summe von Acht Thaler

e. Auf alle unter a und d festgestellten Unterstützungen haben nur diejenigen Anspruch , welche mindestens drei Monate lang den vorgeschriebenen Beitrag zur Kasse geleistet haben.

f. Sobald eine Arbeiterin aus unserer Fabrik austritt, sei es mit oder gegen ihren Willen, verliert sie ihre Ansprüche an die zur Kasse gezahlten Beiträge.

g. Sollte je der Fall eintreten , daß der Betrieb dieser Fabrikanlage eingestellt würde, so soll der dann in der Kasse etwa vorhandene Bestand den Wohlthätigkeitsanstalten dieser Stadt übermacht werden.

Kinderarbeit im Wuppertal I

in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 8082, Bl. 123 ff.

entnommen aus: Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

Bericht des Barmer Bürgermeisters Wilckhaus an den Regierungsrat von Viebahn, Düsseldorf

12. Mai 1837


In Folge der mit Euer Hochwohlgeboren vor etwa 8 Tagen gepflogenen Unterredung die Arbeiten in der hiesigen Baumwoll=Spinnerei der Herren Wittenstein & Reinhold mit Rücksicht auf die Stundenzahl und Jugend der Kinder betreffend; beehre ich mich Euer Hochwohlgeboren auf den Grund meiner eingezogenen Erkundigungen nach Absprache ausseramtlich ganz ergebenst zu berichten.

Es sind in dieser Fabrik Kinder von 8. 9. 10 pp. und Erwachsenen beiderlei Geschlechts bis zu einem Alter von 25. und mehreren Jahren beschäftigt und zwar auf folgende Weise,

während dem Sommerhalb=Jahr beginnt die Arbeit: Morgens präcise um 5 Uhr, wer einige Minuten zu spät kömmt verfällt in eine Strafe von 6 Pfennig, welche ihm von seinem kärglichen Wochenlohn gekürzt wird, entfernt wohnende Kinder müßen wie ich es aus dem Munde der Eltern selbst gehört habe, schon gleich nach 4 Uhr aufstehen, um zur rechten Zeit dorten zu seyn, um so zu sagen 13. Stunden eingesperrt zu werden.

Gegen 8. Uhr Morgens wird den Kindern von ihren Eltern oder Angehörigen ihr kärgliches Frühstück in die Spinnerei gebracht, und durch die Thüre der Arbeits Locale gereicht, der Genuß desselben muß aber während den Arbeiten welche ununterbrochen bis um 1 Uhr fortgehen, statt finden.-

Von 1 bis punkt 1/2 2 Uhr wird die Spinnerei stille gesetzt, und während dieser Zeit müßen die Kinder resp: sämmtliche Arbeiter wovon keiner nach Hause gehen darf, ihr Mittags Mahl, das ihnen auch wieder durch ihre Angehörigen muß hingebracht, genossen, haben sie dann bis um 1/2 2. Uhr noch einige Minuten übrig, dann dürfen sie seit etwa 3 Wochen eben an die Luft gehen, früher wurden sie von Morgens 5 bis Abends 7 Uhr nicht an die Luft gelassen, und es scheint daß diese zwar kleine und wohl nicht hinreichende Einrichtung durch jenen Euer Hochwohlgeboren bekannten Aufsatz des Herrn Landtags=Deputirten Johann Schuchard in No. 25 des Westphälischen Anzeigers hervorgerufen worden.- Nachdem die Kinder nun 13. Stunden (doch zur Steuer der Wahrheit muß auch dieses gesagt werden) in geräumigen Localen eingeschlossen gewesen, soll auch ihr Geist noch wirksam und beschäftigt werden und von 7 bis 8 Uhr Schul-Unterricht genießen, also 14 volle Stunden müßen diese kleinen Wesen mit Hände und Kopf arbeiten, – um per Woche 12, 15, 18. bis 20. Silbergroschen zu verdienen die Größeren resp. erwachsenen Arbeiter bekommen 25 Silbergroschen bis zu 1 Taler 5 à 10 Silbergroschen:

Im Winter Halb=Jahr beginnt die Arbeit erst Morgens um 7 Uhr und endigt Abends um 9 Uhr; es ist selbstredend, daß die armen Eltern der Kinder ihnen von dem kleinen Verdienst keine Schutz gewährende Kleidung anschaffen können, und so sind diese armen Kleinen in ihrem Berufe auch noch der oft strengen Kälte und schlechten Witterung ausgesetzt dagegen sind sie in den Fabriklocalen in körperlicher Hinsicht oft bedeutend besser wie zu Hause aufgehoben, während des Winterhalbjahres entbehren die Kinder an den Wochentagen die Schule und es wird ihnen dagegen ein nothdürftiger gewiß unzureichender Unterricht, Samstags von 2 bis4 Uhr ertheilt, da aber das Schul=Local nicht einmal die Hälfte der Kinder fassen kann, so wird ein Theil denselben entbehren müßen, auch ist wohl anzunehmen, daß die Kinder selten durch ihre Eltern darzu angehalten, an der Samstag=Schule Theil nehmen werden, und endlich wohl kein Gesetz besteht wodurch sie darzu angehalten werden könnten, dagegen dürfte der mangelhafte und unzureichende Schul=Unterricht an den Wochentagen wohl nicht im Sinne und Einklang mit der Allerhöchsten Kabinets=Ordre vom 14. May 1825. resp. 20. Juny 1835 seyn, und werde ich Veranlaßung nehmen dieses besonders in der nächsten Sitzung der Schul=Commission zur Sprache zu bringen.

Nach dieser getreuen und wahren Darstellung scheint es mir wünschenswerth, daß keine Kinder in dem zarten Alter von 8. A 12. Jahren wie es so viel es mir bekannt in England der Fall ist, in solchen Fabriken dürften beschäftigt werden, und daß sie strenge angehalten würden, diese ihre Jugend Jahre zur Schul=Unterricht zu benutzen, um jener Allerhöchsten Landesväterlichen Bestimmung zu genügen, und dadurch zu künftigen brauchbaren Staatsbürgern in etwa heran gebildet zu werden, ob aber durch eine solche strenge durchführende Maaßregel den Fabrik=Besitzern namentlich den Inhabern von Spinnereyen dadurch nicht entgegen gearbeitet resp. ihre Concurrenz in dieser Beziehung mit dem Auslande resp. England erschwert würde, indem erstere dann, erwachsenern Kindern von 14 Jahren und älter, zu höhern Löhnen benutzen müßten, dürfte gleichfalls nicht unerwogen bleiben, und will ich mir darüber kein näheres Urtheil erlauben.

Kinderarbeit im Wuppertal II

in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 8082, Bl. 113 ff.

entnommen aus: Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

Bericht des Regierungsschulrats Altgelt an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Freiherrn von Bodelschwingh-Velmede. (Auszüge)

29. Juni 1837


Euer Hochwohlgeboren verehrlichen mündlichen Aufforderung vom 27 dieses Monats zufolge bin ich sogleich nach Barmen abgereist, und ermangele nicht, das Resultat meiner Untersuchung der Zustände der Kinder in den baumwollen Spinnereien des Herrn Oberempt zu Rauenthal und des Herrn Wittenstein zu Wupperfeld in den beiden Anlagen ehrerbietigst zu überreichen, und das mir anvertraute Reglement der erst genannten Fabrik ganz gehorsamst zurückzureichen.

Daß diese Kinder übermäßig angestrengt werden, ist meines Erachtens erwiesen, und nicht einmal von den Werkmeistern und Aufsehern, mit denen ich mich vielfach unterhalten habe, in Abrede gestellt worden.

Einen Theil der Schuld der körperlichen und geistigen Verkrüppelung ist aber den Ältern zuzuschreiben, welche in Armuth und Elend die Kinder zeugen und gebären, und sie von der Geburt an an allem Nöthgen Mangel leiden lassen.

Nahrung, Kleidung, Schlafstätte alles fehlt diesen armen Kindern, so daß viele von ihnen vorziehen in der Fabrik zu schlafen und an den Thüren zu betteln, als zu Hause mit den Ältern zu essen und sich dort nieder zu legen.

Die Speise, welche den Kindern zum Mittag gebracht wurde, war der Masse nach durchgehends mehr als Kinder des Alters zu essen pflegen, aber ohne Fett und Geschmack, Kartoffel und etwas Gemüse in Wasser das lau warm, und eine Schnitte Brod.

[…]

Die Baumwollen=Spinnerei des Herrn Oberempt im Rauenthal, Gemeinde Langerfeld Kreis Hagen beschäftiget durchgängig 200 Personen, darunter 2/3 Kinder zwischen 9 und 14 Jahren.

Die Arbeitszeit ist:

im Sommer
von 5 bis 11 und von 1 bis 8;
im Winter:
von 6 bis 11 und von 1 bis 9 Uhr
demnach durch alle Jahreszeiten täglich 13 Stunden.

Die Stunde von 11 bis 12 wird zum Schulunterricht benutzt, und von 12 bis 1 Uhr zum Mittagessen freigegeben.

Da die beiden Dachstuben des thurmartigen Gebäudes zu Schulzimmern benutzt werden, und nur die in der Nähe wohnenden Kinder um Mittag zu den Ältern gehen, so fehlt es nicht an Kindern, welche täglich fünfzehn Stunden lang in demselben Gebäude sind.

Wolf, Blowing und Spreading heißen die drei Maschinen, welche zur Reinigung der Wolle benutzt werden, und deren Betrieb die Räume mit einem dichten Staube erfüllt.

An dem Wolfe wird nur 6 Stunden des Tages von einem Erwachsenen und einem Knaben gearbeitet, an den beiden andern Reinigungsmaschinen aber den ganzen Taghindurch, woran 5 Knaben beschäftiget sind.

Summa 6. In dem ersten Kratzenzimmer sind beschäftiget 15, in dem zweiten ditto 17, Knaben unter 16 Jahren. In dem 1sten Verspinnszimmer 26, 2[. Zimmer] 44, 3[. Zimmer]45 Knaben unter 12 Jahren Knaben unter 12 Jahren und Mädchen desselben und höhern Alters.

Summa Summarum: 153

An dem Wolfe wird verdient per Woche 1 Taler an dem Blowing 1 Taler, an dem Spreading 24 Silbergroschen, in dem sogenannten Kratzenzimmer 18 bis 30 Silbergroschen, und an den Verspinnsmaschinen 15 bis 45 Silbergroschen.

Für den Schulunterricht erleiden die Kinder keine Abzüge, vielmehr erhalten die Lehrer eine Entschädigung aus den Armencassen der kirchlichen Gemeinden, per Kind und Jahr 1 Taler.

Ich fand in der untersten Classe der Schule unter dem Lehrer Weber der Dorfschaft Heckinghausen versammelt:
27 Knaben
24 Mädchen
51 Kinder unter 12 Jahren, darunter fünf zuvor noch in keiner Schule gewesen, sammt und sonders in den ersten Anfängen des Elementarunterrichts; nothdürftig zum Lernen angeregt. In der ersten Classe waren unter der Leitung des Lehrers Kappe zu Rittershausen versammelt:
24 Knaben
34 Mädchen
58 Kinder
unter 14 Jahren, welche in den ihnen vorliegenden biblischen Historien lesen konnten. Mit dem Schreiben ging es schlecht, und konnten nicht alle das Ein mal Eins aufsagen, noch auf Befragen antworten, dagegen wußten die Schüler beider Classen einige Liederverse auswendig zu singen, in dieser Classe waren 5 Kinder, welche zuvor in keiner andern Schule gewesen, und daran leicht kenntlich, daß sie am meisten zurück waren.

Die Spinnerei des Herrn Wittenstein zu Wupperfeld beschäftiget 140 Personen, darunter 60 zwischen 9 und 14 Jahren.

Die Arbeitszeit ist
im Sommer
von 5 bis 1 und von 2 bis 7;
im Winter
von 6 bis 1 und von 2 bis 8 Uhr.
demnach durch alle Jahreszeiten täglich 13 Stunden.
Die Stunde von 1 bis 2 Uhr ist für das Mittagessen freigegeben.
Im Sommer wird von 7 bis 8 Uhr Abend in einem nahe liegenden Hause Schule gehalten; im Winter aber ist der Unterricht auf den Sonntag Nachmittag beschränkt.

Für den Schulunterricht erleiden die Kinder keinen Abzug vielmehr wird der Lehrer Peters aus der Dorfschaft Heid mit 33 1/3 Thaler von der lutherischen Gemeinde, mit demselben Betrage von der reformirten Gemeinde, ingleichen von dem Fabrikherrn, demnach mit 100 Talern remunerirt.

In der Schule waren versammelt
31 Knaben
19 Mädchen
50 Kinder darunter 8 über 13 Jahren und 5 überhaupt, welche zuvor in keiner Schule gewesen.

Etwa die 6 Ältesten konnten nothdürftigst aus der ihnen vorliegenden Heiligen Schrift Neuen Testaments lesen. Das Rechnen ging sehr schlecht, und eben so schlecht das Buchstaben schreiben auf der Schiefertafel. Der größte Theil dieser armen Kinder erschien so matt und müde, daß gewiß das Mitleid den Lehrer zurückhält, sie in der fünfzehnten Stunde des Tages zur Aufmerksamkeit anzuregen.
Der Liedervers, den sie zum Schlusse anstimmten tönte wie Weinen und Verlangen endlich frei zu werden.

Das gesegnete Wupperthal

in: Gesellschaftsspiegel. Organ zur Vertretung der besitzlosen Volksklassen und zur Beleuchtung der gesellschaftlichen Zustände der Gegenwart, 1. Band, Elberfeld 1845.

entnommen aus: Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

Elberfeld 1845


Das gesegnete Wupperthal.

Neben den allgemeinen Schilderungen der gesellschaftlichen Zustände der civilisirten Welt werden wir der Reihe nach die einzelnen Länder, Provinzen und Distrikte unsres Vaterlands in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen unsern Lesern vorführen. Wir beginnen mit unsrer nächsten Umgebung und wollen zunächst die Lage einer Klasse unsrer Mitbürger schildern, welche wegen ihrer Zahl und Beschäftigung die beachtenswertheste sein dürfte.

Fragt man einen Wupperthaler Fabrikanten oder Kaufmann, wie sich die Weber hierorts stehen, so heißt es: „Wer hier arbeiten will, hat einen schönen Verdienst; es gibt Weber, die sechs, acht Thaler die Woche, andere, die fünf oder auch nur vier Thaler verdienen“ u.s.w. Man vergleicht diese Thaler mit den Groschen, welche an andern Orten wöchentlich verdient werden, und stimmt dann das Loblied an von dem „gesegneten Rheinland‘’, dem „gesegneten Wupperthale“ u.s.w. — Wir wollen diesen „Segen“ etwas näher in Augenschein nehmen.

In der folgenden Darstellung der Verhältnisse unsrer hiesigen Weber schließen wir uns den neulich von der Barmer Zeitung veröffentlichten Mittheilungen an, welche von einem Manne herrühren, der die Lage dieser Unglücklichen aus eigner Anschauung kennt, und der uns in den Stand gesetzt hat, jene Mittheilungen zu benutzen und zu ergänzen. Dieser Mann hat seine Berichte unter den Augen der Wupperthaler Fabrikanten veröffentlicht, ohne daß ihm in irgend einem Punkte eine Uebertreibung, viel weniger eine Unwahrheit nachgewiesen werden konnte.

„Da bei den jetzigen Lohnsätzen“, sagt unser Berichterstatter, „daß ungestört fortgehende Weben höchstens das tägliche Brod gewährt, so ist der Weber genöthigt, durch Ueberarbeiten die Ausfälle zu denen, welche durch die vielen Störungen, Hemmnisse und Plackereien entstehen, die wir hier mittheilen werden. Er muß daher Morgens auf den Hahnenruf aufstehen und bis Mitternacht und wohl darüber arbeiten. Seine Kräfte werden schnell verbraucht, seine Sinne vor der Zeit abgestumpft. Seine Brust kann dem ununterbrochenen Zusammenhocken nicht widerstehen; die Lungen werden krank, Blutspeien stellt sich ein. Auch seine andern Glieder erschlaffen und erlahmen, seine Augen ermatten und erblinden. So wird seine ganze physische Person eine frühe Kirchhofblume. Aber nicht nur physisch, auch geistig und sittlich verdirbt der unglückliche Weber. Sein Geist verdüstert, sein Wille erlahmt. Der Weber kann keinen Sonntag halten. Und doch thäte seinem von Strapatzen und Entbehrungen ausgemergelten und heruntergebrachten Körper (man schaue sich die Jammergestalten doch nur an!) Ruhe und Erholung so sehr Noth! Aber dem Armen, von Schulden Ueberbürdeten ist sie nicht gegönnt. Er vergißt am Ende, wie Feld und Wald, Wolke und Abendroth gestaltet sind! Seine ganze Erholung ist — der Branntwein; seine ganze Erbauung — ein wegen Nahrungssorgen keifendes Weib. Wenn die Jahreszeit Fensteröffnung gestattet und man an Sonn- und Festtagen durch unsre abgelegenen Straßen geht, und links und rechts das Webegeklapper rasseln hört, so wird man versucht zu fragen: „Was wollen die Glocken? Läuten sie Sturm?“ — Wie das Elend den Vater aus dem Gotteshause hält und ihn an seinen Webstuhl bannt, so hält es dessen Kinder aus der Schule und kettet sie ans Spulrad oder sperrt sie in eine Fabrik ein. Unsere Elementarschulen sind für die Kinder dieser Unglücklichen nicht da. Um des Brodes willen müssen sie schon arbeiten. Die abendlichen Freischulen, die Freistunden am Sonntag können — das hat die Erfahrung sattsam gelehrt — die entbehrte Elementarschule nicht ersetzen. Auch geht das Kind nur träge und verdrossen zum Unterrichte; es ist müde, überarbeitet, nur halb satt, wohl gar hungernd, es ist schläfrig, matt, sehnt sich nach Erholung — es ist ja noch ein Kind! *)

*) Trotz der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung des Schulbesuchs sind im Wupperthale stets mehr als 1200 Kinder, die durchaus keine Art von Unterricht bekommen.

— Dem armen Weber bleibt zuletzt noch das Armenhaus , falls es ihm glückt, ‘dort eine Nummer offen zu finden und über die vielen Mitwerber den traurigsten aller Siege davon zu tragen. Häufiger, weil er im Armenhause selten Asyl finden kann, verelendet und verfault er mit Frau und Kind, ungesehen und unbetrauert vor und neben des Reichen Thür. Und wohl ihm und den Seinigen, wenn sie ihr Schicksal dulden und tragen. Aber nur zu oft wird der arbeitslose Arbeiter ein Verbrecher, und Weib und Tochter durchschweifen die Stadt und geben sich Preis! … Nicht wahr, ein düstres Gemälde das? Aber schaut nur um Euch — Ihr werdet mit Entsetzen und Schmerz die Originale dazu finden! — Ja, das Elend unsrer Weber ist groß, größer als man denkt. Durch das heillose, unvergütete „Vorrichten“ werden Tausende ins Elend gestürzt und es entsteht ein Heer von Armen, das kaum mehr zu bewältigen. Und das alles tritt ein bei einer Menschenklasse, die vor wenig Jahren zu den rührigsten, lebensfrohesten, ehrenhaftesten und mildherzigsten Bürgern unsres Thales gehörte, bei einer Menschenklasse , deren fleißige und kunstgeübte Hände die Palläste Elberfelds und Barmens gebaut haben! — Wo und wie wohnt diese Klasse von Arbeitern? — Der hohen unerschwinglichen Miethe wegen wohnt der Weber in den entlegensten Gassen, in armseligen Höhlen ohne Luft und Sonne. Dringt man durch die mit Unrath und Koth bedeckten Gassen bis zu ihm hin, was findet man in seiner Wohnung? Den Hausrath, die Bettung, die Kleidung, die Kost eines Bettlers; eine Unreinlichkeit, einen Qualm, eine Ausdünstung, die kaum zu athmen. Hinter zwei oder drei Stühlen sitzen eben so viele Skelette und daneben, in einer Ecke, spult die alte Groß- oder Schwiegermutter, in andern Ecken die schutzbenöthigten und schulpflichtigen, zerlumpten Kinder — und durch sie alle hin windet sich die Hausfrau, die den Rest ihrer Jugendkraft aufwendet, den schreienden , siechenden Säugling zu beschwichtigen. Ohne Stütze, ohne Kredit, ohne Aufmunterung, leben diese Jammergestalten ihr Leben in einer solchen Erstarrung dahin, daß sie eine Verbesserung ihres elenden Zustandes kaum für möglich halten.

Unser Berichterstatter findet die Ursache der von Tag zu Tag zunehmenden Verarmung der hiesigen Weber in den heutigen Lohnverhältnissen: er eifert daher gegen diese: gegen den geringen Lohn Überhaupt; sodann gegen das Vorrichten, welches die Weber oft viele Wochen in Anspruch nimmt, ohne daß ihnen dafür vom Fabrikanten etwas vergütet wird, wie das sonst der Fall war und auch noch jetzt hin und wieder wohl vorkommt; ferner gegen das Warten (Passen), Probiren und Ausbessern, „was alles zur Zeit unentgeldlich verlangt wird, und bei alle dem kann der Weber jetzt nicht mehr, wie früher, Geldvorschüsse vom Fabrikanten erhalten. ‘’ — Das sind allerdings sehr beklagenswerthe Uebelstände, aber es sind nicht die Ursachen, sondern die Wirkungen der heutigen Gesellschaftszustände, wie dies der Berichterstatter an andern Orten, wo er von der „Concurrenz“ und dem „Druck der Zeit“ spricht, selbst einzusehen scheint. — Als besonders eigenthümliche Uebelstände der hiesigen Weber verdienen die genannten Verhältnisse jedoch näher in Betracht gezogen zu werden, und wir wollen daher auch hierüber unsern Berichterstatter hören:

„Der Lohn wird nach der Zahl der Ellen und der Einzeltücher berechnet. Er ist vor und nach von einer sattsam nährenden Höhe auf einen solchen Bestand herabgesunken, daß eine ununterbrochene vierzehn bis fünfzehnstündige Arbeit einem geschickten Arbeiter nur knapp das tägliche Brod gewährt. Ja, es gibt Gewebe, wo im günstigsten Falle nimmer herausgebracht werden kann, was man zum täglichen Unterhalt nothwendig bedarf. In dieser Beziehung allein schon wäre Hülfe insoweit nöthig, daß ein Webermeister den Unterhalt für seine Familie verdienen könnte. Es ist ein niederschlagender Gedanke, daß eine Arbeit, welche des Mannes ganze Kraft und Tüchtigkeit beansprucht, den Familienvater nicht in den Stand setzt, den Seinigen das Nöthige zu verschaffen! — Das Gewebe muß schon gut gehen und zu den bessern gehören, was die Woche 4 bis 5 Thaler abwirft. Was ist aber dieser Höhepunkt des Arbeitsertrags hierorts für eine Familie mehr als eben das Allernöthigste? — Nun aber kommt außer dem im Allgemeinen geringen und mitunter gar nicht entsprechenden Arbeitslohn noch der höchst fatale Umstand hinzu, daß von dem Weber unentgeldliches Vorrichten verlangt wird. Dieses Vorrichten erfordert bei ordinären Gegenständen vierzehn Tage, bei feinern drei bis vier Wochen, bei Kunstsachen fünf bis sechs Wochen Zeit. Dazu nimmt jede Vorrichtung einen Gehülfen in Anspruch, dem man, wenn man sich nicht gegenseitig aushilft, den Tag einen Thaler Lohn geben muß! Außerdem erfordert: das Vorrichten baare Auslagen, so daß die dazu nöthigen Gegenstände und Vorkehrungen oft bis vierzehn Thaler verschlingen. Die Ausgaben sind nämlich dann am größten, wenn ein alter, schmaler Stuhl auf ein breiteres Gewebe vorzurichten ist, eine Nothwendigkeit, die sich oft genug einstellt, — Und wie verhält sich nun zu dieser Vorrichtung die folgende Arbeit, das bezahlte Werk zur unbezahlten Einleitung? — Manchmal dauert das Werk nicht länger als die Einleitung, so daß wer sechs Wochen vorgerichtet, auch sechs Wochen zu weben hat. Dadurch wird denn der Lohn, der in einem Webetage allenfalls erarbeitet werden kann, und -der, wie – gesagt, kaum den eignen Tag zu nähren vermag, auf zwei Tage ausgereckt. Man hat schon Vorrichtungen gehabt, von einer 60 Ellen haltenden Kette, die bei vierzehntägigem Vorrichten nur 7 Thaler eintrug. Wenn nun das Abweben auch in 14 Tagen vollbracht wurde, so waren binnen 28 Tage 7 Thaler, also auf den Tag 7 1/2 Sgr. verdient worden. Man muß jetzt wegen der oft wechselnden Moden viel öfter vorrichten und die Kosten sind wegen der steigenden Anforderungen der Kunst dabei weit bedeutender, als früher. Vor zehn Jahren hat das Vorrichten nur ein Drittheil der Zeit und der Auslagen gekostet, als jetzt, wo der Arbeitslohn noch dazu durchgängig um ein Drittheil geringer steht, als damals, bei manchen Sachen sogar um die Hälfte. Bis vor zwölf Jahren war es dazu im Allgemeinen noch Regel, das Vorrichten zu bezahlen. Seit dieser Zeit ungefähr begannen die Häuser, welche bis dahin das Vorrichten bezahlten, sich denen anzuschließen, welche niemals etwas dafür vergüteten. Die Gewerbefreiheit unterstützte die Herren Fabrikanten mächtig in dem ihnen gar natürlichen Streben, unentgeldliches Vorrichten einzuführen. Junge Anfänger, auswärtige Dörfler, welche den Winter, wo sie keine Feldarbeit hatten, nicht verschlafen mochten (was ihnen auch gar nicht zu verübeln war) und solche, denen das Feld auch im Sommer nicht volle Beschäftigung gab, kamen zu neuen Firmen und boten unentgeldliches Vorrichten an, drückten nebenher auch durch Minderforderungen die bestehenden Löhne herab. Die Nothwendigkeit, mit auswärtigen Fabriken die Concurrenz bestehen zu können, und das Verlangen nach Reichthum haben endlich das unentgeldliche Vorrichten zur Bedingung gemacht, ohne welche seine Arbeit mehr gegeben wurde. So wurden die nicht geringen Vorrichtungskosten vom Fabrikanten ab auf den Weber gewälzt, die Folgen dieser Operation bei später sinkenden Löhnen hatte man damals wohl nicht vorhergesehen. — Aber das unentgeldliche Vorrichten ist es nicht allein, was unsere Weber in’s Elend stürzt; nicht minder nachtheilig wirkt das unvergütete Warten. Ist nämlich das Vorrichten zu Ende, so fehlt es häufig bald an der Kette, bald am Einschlag oder Schusse, bald an den erforderlichen Karten, oder die abgegebenen Karten weisen sich als fehlerhaft aus und deren Ausbesserung verschlingt wieder eine gute Zeit. Ein Weber mußte einmal sechs Wochen mit dem Vorrichten zubringen, weil man mit Verabreichung der Zuthaten so lange zögerte — diese Arbeit hätte schon in vierzehn Tagen geschehen können. Und nun, nach sechswöchentlicher unvergüteter Arbeit, stand endlich der Stuhl vorgerichtet und fertig. Jetzt fehlten Muster und Karten. Der nach Arbeit schmachtende Vorrichter ging aufs Komptoir und fragte nach derselben: „Daran ist noch nicht zu denken!“ hieß es hier. Und das ging so fort von einem Tage zum andern bis aus den Wartetagen Wartewochen wurden und der Mann, der nicht mehr aushalten konnte, den vorgerichteten Stuhl unbenutzt wieder abgeben mußte! Er hatte an neun Wochen umsonst vorgerichtet und gewartet. — Es ist nicht selten, daß auf Kette und Einfluß acht, vierzehn Tage und darüber gewartet werden muß. Das sonst so reelle Haus……. zeichnet sich hinsichtlich des Wartenlassens vor andern traurig aus. Dort ist dieses sogenannte Passen an der Tagesordnung. — Bei einem andern Hause mußte Webermeister Z. nach eingerichtetem Stuhle vier Wochen auf die Kette passen, und das Haus lies den Webermeister F. nach 8wöchentlicher Vorrichtung eines schwierigen Tuches noch 32 Tage auf die Kette warten , ohne dafür etwas zu vergüten. Zwar soll nach Feststellung des hiesigen wohllöbl. Fabrikengerichts dem nach gesehener Vorrichtung Wartenden für jeden Wartetag 20 Sgr. vergütet werden. Wer aber diese Bestimmung in Anspruch nimmt, verbrennt sich die Finger! — Man kann die 20 Sgr. Vergütung einziehen, allein man verliert alsdann dafür die Arbeit! — — Ein ferneres Hinderniß für den Weber ist das kostspielige und zeitraubende Probiren. Dieses Probiren tritt ein, so oft der Musterzeichner oder irgend ein Anderer ein neues Muster ersonnen hat, dessen Ausführbarfeit nun aber auf dem Stuhle erst versucht werden muß. Da die eine Firma der andern durch neue Muster den Rang ablaufen will, so tritt das Probiren sehr häufig ein. Jedes Probiren ist ein Herumtasten, ein Umhertappen, und es verschlingt nicht nur viele Zeit, sondern nöthigt noch zu allerlei Nebenauslagen. Für alle diese Probirarbeiten wird aber dermalen gar nichts vergütet. Die Webermeister Elberfeld’s und Barmen’s, weil sie die geschicktesten sind und unter den Augen der Herren Aufgeber arbeite, leiden vorzugsweise darunter. — Aber das ist noch nicht Alles. Auch der Liefertag geht für den Arbeiter in der Regel ganz verloren; denn die Leute werden haufenweise zu einer Stunde bestellt, müssen, wenn sie zur anberaumten Stunde nicht erscheinen, 2 1/2 Sgr. Strafgeld bezahlen, werden aber nach dem bon plaisir des dienstthuenden, fabrikherrlichen Personals früher oder später abgefertigt. — Endlich ist noch zu bemerken, daß ein Webermeister für alles verantwortlich gemacht wird. Da mag nun der Kettenscheerer, der Spuler, der Werkführer, Kartenzeichner, Maschinenbauer u. s. w. irgendwie etwas vernachlässigt haben, der Weber, der Weber muß einstehen. Der Buchführer z. B. gibt den Schuß oder Einschlag verkehrt an, so wird dafür der Weber unter Lohnabzug „verantwortlich gemacht und zwar zu 33′ 1/3 pCt. , ohne daß ihm gestattet wäre, die Waare für diesen Preis selbst zu behalten. — Durch alle diese Hemmnisse und Prellereien kommt es denn, daß, bei allem scheinbar erträglichen Wochenverdienst in Arbeitstagen, doch der durchschnittliche Wochenverdienst eines Webejahres nicht zum Auskommen ist. — Webermeister P., ein Mann von Kenntniß und Fleiß, wie wenige, hatte einmal zwei Jahre hindurch dieselbe Arbeit; er brauchte nichts vorzurichten. Er, ein Vierziger, arbeitete täglich fünfzehn Stunden. Er hatte Wochen, in welchen er 7 1/2 Thlr. verdiente. Aber was hatte er am Ende des Jahres als durchschnittlichen Wochenlohn: 2 Thlr. 5 Sgr. Dabei hatte seine Frau noch gespult. — Der größte Theil der Weber kann durchschnittlich die Woche keine zwei Thaler verdienen. — Es sei uns gestattet, einige Fälle, die gerade unserm Gedächtniß gegenwärtig sind, die sich aber mit leichter Mühe vermehren ließen, hier namhaft zu machen. Webermeister St. hatte für das Haus ….. zwölf Jahr gearbeitet. Er sprach einmal in großer Geldnoth den Buchführer um Wartegeld an, welches, wie gesagt, nach der Verordnung des Fabrikengerichts vergütet werden muß. Der Buchführer entgegnete : „Sie Sind doch so lange Arbeiter dieses Hauses und werden daher doch wohl wissen, daß dasselbe kein Wartegeld bezahlt; wenn Ihnen das nicht genehm ist, so mögen Sie abgehen!“ In der entsetzlichsten Verlegenheit trug der Arbeiter auf einen kleinen Vorschuß an, um seine Miethe bezahlen zu können. Auch dieser wurde ihm aber geweigert. Man überließ den alt bewährten Arbeiter hartherzig seinem herben Geschicke, das man durch Entziehung der gesetzlich ihm zukommenden Wartegelder eingeleitet hatte. — Webermeister Sch. arbeitete fünf Jahre bei dem Hause .……. Nach abgelaufener Kette mußte er zum Mindesten immer zwei bis drei Wochen unvergütet warten, einmal sogar fünf Wochen. Er hatte nun einmal ein schwieriges Werk vorzurichten, was ihm sechs Wochen Zeit wegnahm, und als die Vorrichtung zu Stande gekommen, zeigte es sich, daß der Werkmeister vergessen hatte, den bezeichneten Rand mit anzugeben. Nun mußte auch dieser noch nachträglich zugerichtet werden. Und für alles dieses erhielt der Arme zur Vergütung — die unverdientesten Vorwürfe! Als er sah, daß unter diesen Verhältnissen nicht auszukommen, verließ er die Firma und trat in die Dienste des Hauses ……..

Er war aber aus dem Regen in die Traufe gekommen. Hier traf ihn ein unaufhörliches Vorrichten. Die Schulden häuften sich, die Armuth brach herein, und als er Martini die Miethe nicht zahlen konnte, ließ ihm der Hausherr alles, sage alles, selbst seine Webstühle auf öffentlichem Markt verkaufen und ihn außer Wohnung setzen. Nun lag Webermeister Sch., ein Fünfzigjähriger, seit 25 Jahren Meister, auf offener Straße, mit seiner Frau, einem 14 jährigen Töchterchen , einem fünfjährigen gebrechlichen Knaben, und einem 3/4jährigen Kinde. Er fand für die nächsten Tage bei seinem Eidam Logis, um Brod mußte er die Armenpflege angehen. Jetzt wohnt er auf einem Speicherkämmerchen, welches keinen Webstuhl faßt, ohne Bettung und fast ohne allen Hausrath. Ein andrer Weber hat sich seiner erbarmt und ihm einen Webstuhl geliehen; für den Stand dieses Stuhles muß er wöchentlich 7 Sgr. Miethe bezahlen. Sein 14 jähriges Töchterchen muß für einen Wochenlohn von 20 Sgr. von einem Ende der Stadt zum andern Spuhlen gehen und zwar fast baarfuß. Auf der Gathe könnt Ihr ihn in seiner Wohnung treffen, diesen zum Skelett abgemagerten Frühgreis. Er webt in der Nähe des Sargmagazins, dessen stille Häuser er gerne, gerne gegen seine Speicherkammer vertauschen möchtel!“

„Übersichtliche Beschreibung des Zustandes des Handels und der Fabrikken im Groß-Herzogtum Berg“

StA W J II 47

Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

[Juni 1815]


Die auffallend große Bevölkerung des Herzogthums Berg nach Verhältnis seines Flächen=Raums deutet die Menge und Reichhaltigkeit der Fabrikken und Manufacturen an, welche dieses Land besizt

Die Hauptgegenstände und Erzeugnisse sind folgende

I.) Baumwollen Zeuge, und Baumwollen Spinnereien

Alle Zeuge, zu welchen Baumwolle den Urstoff hergibt, werden, im Bergischen fabrizirt, als: Sack= und Hals Tücher, Siamoisen, Nanquin, Nanquinetts, toile de cotton, dimity, Ginghams, Maderas, Manchester, Westen=Zeuge, Pferdedekken &c.
Im Kreise Elberfeld und zwar in Elberfeld und Barmen ist der Hauptsitz dieser Fabrikken. Baumwollen Spinnereien nach englischer Art bilden einen eigenen wichtigen Gewerbzweig. In den Kreisen Elberfeld, Düßeldorf und Wipperfürth sind große Spinnereien, welche durch Waßer, durch Pferde und durch Menschen=Hände getrieben werden.

II.) Fabricken in Leinen und Garnbleichereien.

Die vorzüglichsten derselben bestehen in Elberfeld und Barmen, man fabrizirt leinen Bänder, Schnürriemen und Kordelen, Bonten für Matrosen=Hemder, Bettzwillich. u. s.w.
Hiermit ist ein wichtiger Gewerbszweig, die Garnbleichereien, verbunden. Vormals waren dieselbe ein Monopol für die Stadt Elberfeld und für Barmen, und behaupten bis gegenwärtig durch die erreichte Vervollkommenung einen ausschließlichen Vorzug vor allen andern ausländischen Garnbleicherein.

III. Seiden=Zeuge

Seidene Tücher, gewebt und gedruckt in allen Farben, seidene Stoffen, seidene und halbseidene und sammt Bänder, halbseidene und halb baumwollene Zeuge, seidene Westen, Litzen, Schnuren, Sammet in allen Farben werden im Bergischen fabrizirt. Die meisten dieser Manufacturen sind in der Stadt Elberfeld und in Barmen. Auch an anderen Orten bestehen bedeutende Fabrickanstalten dieser Art – nemlich in Mülheim am Rhein, Ronsdorf, Langenberg, Kaiserswerth &c.

IV.) Wollene Zeuge.

Ganz feine, feine, mittel und ordinäre Tücher und Casimire sind die Haupt=Erzeugniße. Die Stadt Lennep vorzüglich, und die Oerter Hückeswagen, Barmen, Lüttringhausen, Rade vorm Wald, Wipperfürth &c. sind die Haupt=Sitze dieses Gewerbfleißes, mit welchem ansehnliche Anstalten von Wollenspinn= und Tuchscheer Maschinen in Verbindung stehen, die wegen ihrer Vervollkommenung, eben so wie die einländischen Baumwollspinnereien den englischen gleich gestellt werden können. [Solingen-]Bourg liefert wollene Dekken, die durch eine vorzügliche Güte berühmt sind.

V. Färbereien.

Die Färbereien im Bergischen nicht nur für den Bedarf aller einländischen Fabrikken, sondern auch für den Handel mit gefärbten Baumwollen=Garns in das Ausland bieten einen großen Gewerbzweig dar, und unter diesem ist das so genannte türkisch roth, oder das roth gefärbte Baumwollen Garn ein reichhaltiger Artikkel, welcher vormals nur in der Levante zu haben war, durch die Anstrengung des bergischen Kunstfleißes aber ganz einheimisch geworden und vor der Konkurrenz anderer Länder, worin dieser Gewerbs Zweig nachgeahmt wird, einen entschiedenen Vorzug hat. Hauptsächlich bestehen diese Färbereien in Elberfeld, sodann in Barmen und Düßeldorf &c.

VI. Eisen und Stahl.

Im Bergischen bestehen eine Menge Eisen=Hämmer und Hüttenwerke und zwar die meisten in dem obern Theil des Landes – vorzüglich im Kreise Wipperfürth.
Vor allem aber zeichnen sich durch Verschiedenheit, Güte und Vollkommenheit die Eisen= und Stahl=Fabrikken aus. In dem Kreise Elberfeld und zwar in den Orten Solingen, Remscheid, Wald und Cronenberg, sind die Hauptsitze dieses Gewerbes.
Solingen ist berühmt wegen seiner Klingen, als: Säbel, Degen, Rappier, Lanzen, Hellebarden, Bajonette, Ladstöcke, wegen seiner Meßer, Gabeln und Scheeren aller Art – wegen der Quincaillerie [Kurzwaren, JNK], Stahl=Waaren, als alle Sorten Chirurgische Instrumenten, Uhrmacher= und Silberschmiedgeräthschaften, stählerne Degen=Gefäße nach englischer und französischer Art.
Remscheid und Cronenberg haben eine Menge Eisen= und Stahl=Hämmer. Außerdem liefern die berühmten zahlreichen Fabrikken dieser Oerter Sensen und alle übrigen Ackerbaugeräthschaften, Sägen, Feilen, Meißeln, Aexte, Hämmer, Hobeleisen, Schlößer, Gehänge, Nägel, überhaupt alle für Tischler und Zimmerleute, für den Colonie=Haus= und Schiffbau erforderlichen Werckzeuge, des gleichen alle Kriegsgeräthschaften. Wald zeichnet sich durch eine entstandene Guß=Stahl=Fabrick nach Englischer Art aus. – Dieser Ort, so wie Greefrath, Rade vorm Wald, Ronsdorf, Hückeswagen, Lennep, Lüttringhausen im Elberfelder Kreise und Velbert im Düßeldorfer Kreise haben Eisen= und Stahlhämmer, Schleifmühlen und Eisen=Fabricken, zum Theil in vorbenannten Gegenständen. –
Die sämtlichen in den Bergischen Eisen= und Stahl=Fabrikken verfertigt werdenden Artikkeln belaufen sich beinahe auf sechs tausend.

VII. Verschiedene Erwerbszweige

Außer genannten Haupt=Gegenständen begreift das Großherzogthum Berg noch eine Menge, und fast alle nur erdenckliche Zweige des Gewerbs und Kunstfleißes in sich! Hierhin gehören mehrere Metall=Fabricken, platineten und Compositions=Waaren, – Schleifmühlen, Papier= und Leder=Fabrikken, Oel=Mühlen, Walckmühlen, Lohgerbereien, Leder=Arbeiten, Farbholtz=Mühlen, Pulver-Mühlen, Mineral-Blau=Fabrikken, Pottasch-Siedereyen, Allraun=Seiffen= und Salmiack=Siedereien, Tabacks=Mühlen und Fabrikken, Bier=Brauereien, Brandweinbrennereien und der Gewerbe mehrere, welche in der Statistick des Landes einen wichtigen Theil ausmachen.

VIII. Handel

Handel aller Art enthält das Herzogthum Berg und unter diesem mehrere Wechsel=Häuser und Handlungen von sehr wichtigem Umfange. Die meisten dieser Etablißements sind in den Städten Elberfeld, Düßeldorf, Barmen, Mülheim am Rhein, Mülheim an der Rhur, Ronsdorf &c.

IX. Absatz

Der Absatz der Bergischen Fabrick-und Manufactur-Waaren gehet nach allen Welt-gegenden, wo nur ein Markt dafür zu finden und die Einfuhr erlaubt und nicht zu sehr erschwert ist.

Baumwollen Waaren nach Amerika, Holland, Italien, der Schweitz, Hamburg und Bremen, Dänemarck, nach den Meßen in Teutschland &c. Leinen Bänder und Zeuge nach Amerika, Portugall, Spanien, Franckreich, den Colonien, dem nördlichen Teutschland u. s. w.
Seiden Zeuge nach Holland, Hamburg und Bremen, nach Teutschland, den bekannten teutschen Meßen &c.
Die wollenen Waaren, als Tücher und Casimire, nach Nordamerika, nach Preußen, Baiern, Schwaben, der Schweitz und nach Italien, nach den Hanseestädten &c. – Gefärbtes Baumwollen Garn nach Sachsen, Baiern, Schwaben, Böhmen &c. – Gebleichtes und ungebleichtes leinen Garn nach Belgien, Franckreich, der Schweitz &c. – Eisen und Stahlwaaren nach Teutschland, Franckreich, Spanien, Portugall, Italien, Schweitz. Dänemarck, Rußland, Amerika und nach den Westindischen Colonien, der Levante, dem Vorgebürge der guten Hoffnung &c.

X Urstoffe.

Die Bergischen Fabrick= und Manufactur=Waaren beziehen ihre Urstoffe
Baumwolle, aus Amerika. West=Indien, und der Levante;
Leinen Garn aus Minden, Osnabrück, der Grafschaft Ravensberg, – aus Braunschweig, Hildesheim, Wolfenbüttel, Hannover und Heßen.
Seide aus Italien.
Schaafwolle aus Spanien, Schlesien und Sachsen, ordinäre rohe Tücher aus Schlesien und Sachsen, welche im Bergischen vollends Zubereitung erhalten.
Farbwaaren werden bezogen aus Amerika, der Levante, aus Franckreich, Holland und Braband – und durch den Zwischenhandel aus Amsterdam, Hamburg und Bremen, Pottasche aus den Rheingegenden, dem Herzogthum Westphalen &c.
Stahl, Eisen, Meßing, Kupfer, Zinn, Bley, aus der Grafschaft Marck, Siegen, Dillenburg, dem Naßau=Usingschen, dem Herzogthum Westphalen, aus dem Sayn=Altenkirchischen, aus den Rheingegenden und aus Schweden.
Steinkohlen, ein Bedürfnis für die Eisen=Fabrikken, die Bleichereien und Färbereien aus der Grafschaft Marck

X. Hinderniße.

Überall sind dem Absatz Hinderniße in den Weeg gelegt. Oestreich, England, Rußland, Franckreich und Belgien haben die Einfuhr der Seiden=Baumwollen Waaren und wollenen Tüchern verboten.
Die Leinen=Waaren müßen in Franckreich eine bedeutende Zoll=Abgabe von 10 bis 50% ertragen. In England und Oestreich sind sie verboten. In Franckreich ist die Einfuhr der Eisen= und Stahlwaaren größesten Theils verboten. Die wenigen, welche einzuführen erlaubt sind, zahlen 40 bis 50%. In Rußland, Oestreich und England ist die Einfuhr der Eisen= und Stahl=Waaren ganz verboten; außer einige wenige Artikkeln, welche jedoch nicht von Belang sind. In allen Ländern und Weltgegenden stehen dem Verkehr mit diesen und den übrigen bergischen Fabrick=Waaren viele Hinderniße im Wege, im Gegensatz mit andern Staaten, besonders Engelland, welches Begünstigung genießet.
Baiern, Würtemberg und Baden laßen sich bedeutende Abgaben bezahlen.
In Portugall und Spanien werden von allen Waaren übertrieben hohe Abgaben gefordert. – Franckreich, England und Belgien haben die Einfuhr des gefärbten und ungefärbten baumwollen Garns verboten.
In Amerika müßen 16 bis 20 – in Kriegszeiten das Doppelte im Einfuhrrechte von allen bergischen Waaren bezahlt werden.
Holland fordert verschiedene Abgaben von den transitirenden und eingehenden bergischen Fabricaten.
Zum Nachtheil der Bergischen Tuchfabricken dürfen die besten Gattungen von Schaafwolle aus England und Franckreich nicht ausgeführt werden. Sogar ist der Transit fremder Wolle durch diese Länder verboten.
Die Einfuhr der Tücher und Kasimier aus Oestreich, England und Frankreich, dann aus Sachsen und Polen bringen den bergischen Tuch=Fabrikken großen Nachtheil. So wie die Einfuhr=Verbote und Mauth=Abgaben fremder Staaten dem Bergischen Kunst= und Gewerbfleiß den Verkehr nach Außen verschließen und erschweren, so wird derselbe im Innern und im Auslande durch das Übergewicht des englischen Handels erdrückt, welcher eine Menge Mittel und Vorzüge an Übermacht zur See, an Reichthum, an Colonien=Besitz, an inneren Vortheilen zur Begünstigung der Indüstrie und wo Vollkommenheit der Fabrikken, Manufacturen und Maschinerien geltend macht, um die Fabrikken und Manufacturen des festen Landes zu verdrängen. Insbesondere schadet dem einländischen Gewerbfleis die Überschwemmung mit englischen Fabricaten, Manufactur=Waaren und Gespinsten, welche aufgehäuft in Commißions=Lagern endlich, wann keine Nachfrage zu Preisen nach Werth mehr ist, zu jedem Preise unterm Werth verkauft, die Concurrentz einländischer Fabrikken unmöglich gemacht und diese still gesetzet werden.

Nächtliche Sicherheits-Polizei

Dienst=Reglement für die Nachtwächter der Stadt Elberfeld

Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

30.11.1852


1. Dienst=Reglement für die Nachtwächter der Stadt Elberfeld

Zur Handhabung der örtlichen Sicherheit, so wie zur Erhaltung nächtlicher Ruhe und Ordnung, ist die Anstellung von 30 Nachtwächtern zweckmäßig erachtet worden und wird für dieselbe folgendes Dienst=Reglement erlassen:

§. 1. Die Nachtwächter werden auf nachstehend bezeichnete Dienstobliegenheiten durch Handschlag an Eidesstatt verpflichtet und ihnen hierdurch für ihre Dienstverrichtungen die Rechte und Pflichten der Polizei=Sergeanten beigelegt. Besonders wird von ihnen erwartet, daß sie einen durchaus unbescholtenen Lebenswandel führen, stets nüchtern, wachsam, zuverlässig sind, und, wo es nötig ist, persönlichen Muth zeigen.

§. 2. Die Nachtwächter melden sich an jedem Abend um 9 1/2 Uhr auf dem Rathhause bei den sich daselbst ebenfalls einfindenden Nachtwachtmeistern. Fünf von ihnen bleiben zur Aushülfe für vorkommende Fälle auf der Wachstube, von wo sie ohne Auftrag ihres Vorgesetzten nicht entfernen dürfen. Die andern 25 begeben sich, nachdem sie auf der Wachstube das Alarmhorn, die Signalpfeife und das Seitengewehr in Empfang genommen haben, von da in dem Jedem von ihnen zugewiesenen Bezirk, in welchem sie während der 6 Wintermonate von 10 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens und während der 6 Sommermonate von 10 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens sich stets aufhalten müssen.

§. 3. [Verhalten im Krankheitsfall]

§. 4. Das Alarmhorn dient zum Feuer=Signal, die Pfeife theils zum Herbeiruf des nächststationierten Nachtwächter bei erforderlicher Hilfe, theils zur Antwort auf die Pfeife des Aufsichts=Beamten. Das Seitengewehr endlich nur zur Abwehr von Gewaltthätigkeiten gegen die Person des Nachtwächters, niemals zum Angriff, und bleibt er für den Mißbrauch der Waffe verantwortlich.

§. 5. [Bezirke]

§. 6. Die Nachtwächter sind verpflichtet, ihren ganzen Bezirk fortwährend abzupatrouillieren, und zwar dergestalt, daß sie in jeder Stunde jedes Haus in demselben mindestens einmal berühren. Sie sollen ferner nicht immer denselben Gang in ihren Revieren nehmen, sondern bald in der einen, bald in der andern Straße den Anfang machen, auch öfters nach kurzer Zeit denselben Weg zurückgehen.

§. 7. Die Nachtwächter haben ihr besonderes Augenmerk zu richten:
a. auf die zur Nachtzeit in den Straßen oder an abgelegenen Orten sich umhertreibenden verdächtig scheinenden Personen, besonders, wenn dieselben Gepäck, Waaren, Werkzeuge und dergleichen Gegenstände mit sich führen;
b. auf Individuen, welche auf den Straßen, es sei auf welche Art es wolle, die nächtliche Ruhe stören;
c. auf Leute, welche auf den Straßen in Streit und Schlägerei befangen sind;
d. auf die in den Straßen sich herumtreibenden liederlichen Dirnen und sonstiges Gesindel oder trunkenen Personen;
e. auf Feuer und Licht und etwaige Brandausbrüche
f. auf die Straßen-Beleuchtung zur Zeit der Herbst= und Wintermonate, indem sie darauf zu achten haben, daß die Laternen in den festgesetzten Stunden gehörig hell brennen, worüber ihnen noch die erforderliche nähere Anweisung ertheilt werden wird;
g. auf den gehörigen Verschluß der Hausthüren, Thore und Fenster der Häuser, Läden, Magazine und dergleichen Behälter; findet sich hierbei irgend Etwas Auffallendes oder gefährlich Scheinendes, so haben sie den betreffenden Besitzer, nöthigenfalls auch den machthabenden Polizei=Sergeant, sofort davon zu unterrichten
h. auf einen freien, sichern und ungehemmten Durchgang durch die Straßen;
i. auf die öffentlichen Pumpen, welche sie bei starkem Froste jede halbe Stunde anzuziehen haben, um sie vor dem Erfrieren zu bewahren;
k. auf das Halten der Polizeistunde in den Wirthshäusern, und haben diejenigen Wirthe, welche nach der Polizeistunde noch das Verweilen der Gäste in ihrem Hause gestatten, zur Bestrafen anzuzeigen.

§. 8. In den im vorigen §. ad a. b. und c. gedachten Fällen sind die betreffenden Individuen, insofern sie unbekannt und nicht augenblicklich legitimiert sind: die ad d. bezeichneten jedoch jedesmal von den Nachtwächtern anzuhalten, zur Polizei=Wachtstube abzuführen und daselbst dem wachthabenden Polizei=Sergeanten zu überliefern, welcher dann einzig und allein für dieselben verantwortlich ist, und das Weitere veranlassen wird.
Jedenfalls haben die Nachtwächter in den hier berührten, wenn die Abführung der Individuen zur Wachtstube nicht erforderlich war, dem revidierenden Nachtwachtmeister oder den patrouillierenden Polizei=Beamten oder Gensd’armen deshalb Anzeige zu machen.

§. 9. Jeder, welcher von den Nachtwächtern zur Ruhe und Ordnung ermahnt, oder zur Polizeiwache zu folgen aufgefordert wird, hat denselben unweigerlich Folge zu leisten oder zu gewärtigen, daß er zwangsweise abgeführt oder wegen Widersetzlichkeit , resp. Beleidigung der Nachtwächter im Dienste zur Untersuchung gezogen wird. […]

§. 10. Bei Wahrnehmung eines Brandes in der Stadt hat der betreffende Nachtwächter zunächst die Bewohner des Hauses, worin das Feuer ausgebrochen ist, so wie dessen Nachbarn des Hauses und die in seinem Reviere wohnenden Polizeibeamten, Spritzenmeister, Aufseher, etc. davon zu benachrichtigen, gleichzeitig aber mit seinem Horn das Feuer=Signal nach der besonderen Instruktion zu geben, auch den Ort des Brandes laut durch die Straßen zu rufen. Die übrigen Nachtwächter wiederholen das Feuer=Signal sogleich und müssen sich ebenfalls von dem Orte des Brandes zu benachrichtigen suchen, um die zur Hülfe herbeieilenden Bürger davon in Kenntniß zu setzen. Dieselben sind ebenfalls verpflichtet, die in ihrem Reviere wohnenden Polizei-Beamten etc. vom Ausbruche des Feuers in Kenntniß zu setzen. Wie lange die Nachtwächter das Feuer=Signal zu wiederholen haben, hängt nach vernünftigen Ermessen und von den Umständen ab; dieselben dürfen jedoch ihren Bezirk nicht verlassen und haben mit besonderer Aufmerksamkeit ihren Wachtdienst fortzusetzen, Beim Ausbruche eines Brandes am Tage haben sich die Wächter, sobald Kenntniß davon wird, auf der Polizei=Wachtstube einzufinden, wo ihnen die weiteren Befehle ertheilt werden. Beim Ausbruche eines Brandes außerhalb der Stadt, ist hiervon sofort auf der Polizei=Wachtstube die Anzeige zu machen; jedoch erst auf besonderen Befehl Feuerlärm in der Stadt zu blasen. Den Nachtwächtern wird auch zur Pflicht gemacht, wenn bei Nacht Brand ausgebrochen, die Bewohner der zunächst der Brandstätte gelegenen Häuser noch besonders aufzufordern, die Fenster der untern Etage ihrer Wohnung zu erleuchtern.

§. 11-14. [Anweisungen zum Verhalten der Nachtwächtern][…]
Das Gehalt des Nachtwächters mit monatlich 10 Thaler wird postnumerando gezahlt.[…]
§. 15 -16. […]

Elberfeld, den 30. November 1852.
Königliche Polizei=Direktion.

Namentliches Verzeichniß aller jetzt fungierenden Herren, Ober-Bürgermeister, Beigeordneten und Stadträthe

StA W E I 54

Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

Zur besseren Lesbarkeit wurde die Angaben zum Wohnort weggelassen, da diese zur aus Buchstabe und Zahl bestehen, sowie Angaben zur Verwandschaftsverhältnissen und Bildung und Geschäftskenntniß

6.9.1833, handschriftlich


Rütger Brüning, Ober=Bürgermeister, [Alter]58 , reformiert, ohne Gewerbe

Friedr. Carl Schönian, 1. Beigeordneter, 44, lutherisch, Buchhändler, delegierter Präses der Bau=Commission, und Rechnungsführer der Gewerbeschule, auch Mitglied der Rathhausbau=Commission

Wilhelm Trabert, 2. Beigeordneter, 54, lutherisch, Kaufmann, Direktor der Sparkasse, und Vorsitzender der Classensteuer-Umlage

Carl Feldhoff, 3. Beigeordneter, 36, lutherisch, Kaufmann, Gutsbesitzer und Landwehr-Lieutnant, alternirenden Präses der Verwaltung der Central=Wohlthätigkeits=Anstalt, stellvertretender Kreistagsabgeordneter und delegirter Chef der Nachtswache

Peter Boeddinghaus, 4. Beigeordneter, 45, lutherisch, Fabrikbesitzer, Delegirter Beamter des Civilstandes

A. älterer Theil des Stadtraths

Abraham Peter von Carnap, Stadtrath, 68, reformiert, Gutsbesitzer, Sect. C und des Kirchspiel Kreisdeputierter und Steuer=Umleger

Jakob Platzhoff, Stadtrath, 62, reformiert, Gutsbesitzer und Fabrikant, Sect. D. Mitglied der Schulcommission, und der Rathhaus=Baucommission

Johann Wilhelm Blank, Stadtrath, 60, reformiert, Fabrikant, Sect. A Fabrik=, Kaufmanns= und Bürgerstand, auch stellvertretender Kreistagsabgeordneter

David Bönhoff, Stadtrath, 57, lutherisch, ohne Geschäft, Mitadministrator der Sparkasse, und Steuer=Umleger, auch Mitglied der Rathhausbau=Commission

Samuel Lucas, Stadtrath, 53, lutherisch, Buchdrucker, Buchbinder und Papierhändler, Mitadministrator der Sparkasse

Johann Peter Hermes, Stadtrath, 37, reformiert, Bierbrauer und Gutsbesitzer, Sect. C, Handwerksstand und das Kirchspiel

Karl August Krall, Stadtrath, 37, reformiert, Gold- und Silberarbeiter, Sect. C., Handwerks- und Gewerbestand

Johann Abraham Hecker, Stadtrath, 63, reformiert, Fabrikant in baumwollenen Waaren, Steuer=Umleger, Kirchspiel links der Wupper vertretend

Johann Abraham Bertram, Stadtrath, 55, reformiert, Gutsbesitzer, Kirchspiel rechts der Wupper

B. jüngerer Theil des Stadtraths

Peter Conrad Peill., Stadtrath, 56, reformiert, Kaufmann und Spinnereibesitzer, Kaufmann und Spinnereibesitzer, Fabrikstand, früher Beigeordneter und bewandert in den Lokal=Angelegenheiten

Johann Conrad Duncklenberg, Stadtrath, 55, reformiert, Kaufmann und Färbereibesitzer, Sect. A. Fabrik=, Kaufmanns= und Bürgerstand auch Mitglied der Rathhaus-Baucommission

Friedrich Platzhoff, Stadtrath, 41, reformiert, Kaufmann und Färbereibesitzer, Mitglied der Schul=Commission und Steuer=Umleger

Wilhelm Wortmann, Stadtrath, 35, reformiert, Kaufmann, Sekretär des stadträthlichen Collegiums und Steuer=Umleger

Johann Christoph Hecker, Stadtrath, 68, lutherisch, Färbereibesitzer, Sect. S., den Stand der Handwerker vertretend

Winand Simons, Stadtrath, 53, reformiert, Kaufmann und Fabrikbesitzer, Sect. F. vertritt seine Mitbürger von allen Ständen

August von der Heydt, Stadtrath, 32, reformiert, Banquier, Sect. C. Mitglied der Schul=Commissio. Widmet dem Allgemeinen eine große Theilnahme

August De Weerth, Stadtrath, 28, reformiert, Rentner, ist mit den Verhältnissen vieler seiner Mitbürger bekannt, Mitglied der Bau=Commission des Rathhauses

Wilhelm Köter, Stadtrath, 45, reformiert, Färbereibesitzer, besitzt eine genaue Kunde seiner Mitbürger, und vertritt zugleich den geringen Bürgerstand.

Heinrich Scheper, Stadtrath, 37, katholisch, Tabackfabrikant, Präsident des katholischen Kirchenraths, die Einwohner der katholischen Gemeinde vertretend

Caspar Davis Wolff, Stadtrath, 50, lutherisch, Kaufmann und Fabrikbesitzer, Sect. A. Handels= und Handwerksstand

Bedingungen für den Erwerb des Bürgerrechts in Elberfeld 1799

Bedingungen für den Erwerb des Bürgerrechts in Elberfeld

StA W D II 28

Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

16.10.1799 handschriftlich


Vorschriften, welche bey Erwerbung des Bürgerrechts in Elberfeld befolgt werden müssen.

Jeder Nichteingebohrne der das Bürgerrecht erwerben will, muß , A. ein ehrlicher, rechtschaffener Mann seyn – um dieseszu bescheinigen, ist Erforderderlich, daß er

a. einen Taufschein
b. ein Zeugnis von seiner Obrigkeit über seine bisherige gute, rechtschaffene Aufführung-und endich
c. wann er ein Geheyratheter ist, einen Kopulationsschein – beibringen muß.

Ferner muß er

B. das Vermögen haben, ein aktiver, d.h. Lasttragender Bürger zu seyn. Um dieses überzeugend bescheinigen zu können, muß er beweisen, daß er

a. ein Vermögen von 2 bis 300 Gulden besitzt, oder einen Bürgen beibringen, welcher sich für eine solche Summe die im äußersten Falle angegriffen werden kann, verbürgt, ferner daß
b. ein ordentliches anständiges bürgerliches Gewerbe zu treiben und damit sich und die Seinigen zu ernähren im Stande ist.

Sollte endlich

C. ein Fremdling jenen Vermögensbetrag [teilweise] oder gantz [nicht] bescheinigen‘, noch eine Kaution dafür anweisen können; so kann derselbe als wircklicher Bürger nicht angenommen werden. Würde er aber =
a. die unter A.) festgesetzte Erfordernißen beybringen, und
b. beweisen, daß er eine Zeitlang treu und fleißig in einer Profeßion hier gearbeitet hat, so kann derselbe nur angenommen werden als Beysaße.

Ausser diesen Erfordernißen ist nicht nur jeder Erwerbende schuldig, das herkömmliche Bürgergeld sofort zu erlegen, sondern er muß auch versicheren, gleich zwey BrandEymern anzuschaffen so dann an Eydes statt versicheren folgende

Huldigung

Ich gelobe und versichere an Eydes statt, daß ich den Durchlauchtigsten Churfürsten Maximilian Joseph, Seiner Herzoglichen Durchlaucht Wilhelm von Beyern Höchstdero Linien und des Regierenden Erstgebohrnen als dem wahren Landes Herren, den Landes Regierungen und dem hiesigen Magistrat jederzeit will treu und gehorsam seyn, auch mich bemühen will, des Landes sowie der Stadt Bestes aus allen Kräften zu beförderen, und alles Schädliche und Nachtheilige zu verhüten so wahr mir Gott hilft und sein Evangelium.

Übrigens ist niemand von diesen Erfordernißen befreiet, es wäre dann jemand

-1. ein Churfürstlicher Beamter, oder
-2. eine zu sonstigen öffentlichen Geschäften patentisirte Persohn- oder
-3. ein privatisirender, kein bürgerliches Gewerb und Geschäft treibender Gelehrter
oder
-4. ein öffentlicher Lehrer in Künsten und Wissenschaften – oder endlich
-5. ein wirklicher praktischer Künstler –

Alle diese sind zwar von aktiver Gewinnung der Bürgerrechte ausgenommen, jedoch die unter No. 3. 4. und 5. genannte Personen schuldig ihre Niederlaßung dahier dem Magistrate anzuzeigen auch sich, woferne sie nicht würklich schon als solche bekannt sind, auf die unter A, bestimmte Art zu legimitiren.

Abschrift

Hiesiger Landes Regierung ist der Verhalt wegen des beim Magistrat zu Elberfeld von den Catholischen Religions Verwandten, daselbst nachzusuchenden Bürgerrechts umständlich vorgetragen worden – Da nun dieselbe darauf verordnet hat, daß ohne Unterschied der Religion, wenn sonst kein erheblicher Anstand vorwaltet, jene, welche sich und die Ihrige ehrbar zu ernähren im Stande sind, das Bürgerrecht zu erwerben schuldig; daß hingegen jene, welche geringen Vermögens sind, sich gleichwohl mit HandArbeit ein oder zwey Jahre ehrlich ernährt haben, und etwa aus Drang der Zeiten oder sonstige Unglücksfällen arm geworden, als Beysaßen zu dulden seyen; daß sodann für Erwerbung des Bürgerrechts die hergebrachte Gebühr von 3 Reichstaler für Annahme eines Beisaßen aber 1 Reichstaler entrichtet werden solle; daß demnach gemeldter Magistrat dem gemäß künftig die Catholischen zur Annahme als Bürger und Beisaßen anweisen möge, derselbe aber wegen der sich eingeschlichen habenden, keinen gewissen Nahrungsstand angeben könnenden, und ferner sich einschleichender Fremden auf die diesertwegen bestehenden Edikten ohne Unterschied der Religion strenge halten solle;
So wird ihm ein und anderes in Antwort seiner Berichten vom 25ten Jenner und 6ten Julius dieses Jahrs zur gemäßen Nachachtung mit den Zusatz unverhalten, daß der Richter Amts Elberfeld dessen zu Verbescheidung der Catholischen Gemeine benachrichtiget worden. Düsseldorff den 16ten Oktober 1799

Von Landes Regierungs wegen
Freiherr von Pfeil
Schulten
An Magistrat zu Elberfeld
Eingelangt Elberfeld den 23ten Oktober 1799

Die Social=Demokratie in Barmen

Bericht des Polizei-Inspektors Voigt nach Düsseldorf über „Die Social=Demokratie in Barmen”

HStAD Regierung Düsseldorf Präsidialbüro Nr. 866 Bl. 130 ff

Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

15.12.1873 handschriftlich


Die social=demokratische Bewegung im Wupperthale war zu Lassalle’s Zeiten wohl die bedeutendste ihrer Art in Deutschland und von diesem Führer besonders hoch geschätzt. Auch unter v. Schweitzer’s Regimente behauptete sie noch immer einen ziemlichen Rang und erreichte, so zu sagen, ihren Höhepunkt durch die Wahl des Genannten als Reichstags=Abgeordneten. Nachdem aber Berlin und theilweise Hamburg-Altona mit ihren vielen Mitgliedern die Hauptrolle in der Partei spielten, ging hier das Interesse zur Sache verloren und erst in den beiden letzten Jahren ist es durch fortwährende Agitation gelungen, hier wieder eine nennenswerthe Mitgliedschaft zu errichten. Der Allgemeine Deutsche Arbeiter=Verein (Präsident Hasenclever) hat z.Z. in Barmen ca. 400 eingeschriebene, Beitrag zahlende Mitglieder und das Partei=Organ „Der Neue Social-Demokrat” ungefähr 200 Abonnenten. Diese Zahlen wären an und für sich nicht besorgnißerregend, bedenkt man aber, daß der größere Theil der hiesigen Arbeiter die Ansichten des genannten Vereins theilt und in allen wichtigeren Fragen der von diesem ausgegebenen Losung bereitwillig Folge leistet, so darf bei der festen Organisation und der guten Partei=Disciplin wohl behauptet werden: der Allg. Deutsche Arbeiter Verein resp. die Social=-Demokratie ist hier in Barmen eine Macht, mit der gerechnet werden muß, besonders bei der Zerfahrenheit und Lauheit der übrigen politischen Parteien hieselbst, sowohl der liberalen wie conservativen.

Unter solchen Verhältnissen kann das Resultat der nächsten Reichstagswahl beinahe sicher vorausgesagt werden: es wird der von der soc. dem. Partei aufgestellte Kandidat (Hasselmann?) gewählt werden. Die zu diesem Zwecke bereits begonnene Agitation wird äußerst lebhaft betrieben, den hiesigen Führern sind mehrere auswärtige Hauptredner als Verstärkung beigegeben und Partei= und Volks=Versammlungen finden fast täglich statt.

Die hiesigen Führer und Leiter der Partei sind
der Sattlergeselle Mann und
„Riemendreher Kuhl.
Die Vergangenheit dieser Leute ist, wie bei vielen hervorragenden Partei=Mitgliedern, durchaus nicht fleckenlos und haben beide bereits wiederholt mit dem Strafrichter Bekanntschaft gemacht.

Der Sattlergeselle Friedrich Mann, Bevollmächtigter des A.D.A.V. für Barmen, 37 Jahre, gebürtig aus dem Waldeckschen, gehört zum Verein seit der Entstehung im Jahre 1863 und ist ein enragirter [sic!] Lassallianer. Von kleiner, unansehnlicher Statur und ohne wissenschaftliche Bildung besitzt er doch eine gewisse Rednergabe und weiß namentlich seine Stellung als Vorsitzender bei den öffentlichen Versammlungen mit Energie und Geschick auszufüllen. Sein Gewerbe betreibt er nicht mehr, er bezieht sowohl aus der Vereins= wie aus der Orts=Kasse eine Remuneration, welche für seine Existenz ausreichend ist; die Familien=Verhältnisse scheinen zerrüttet zu sein, da er von Frau und Kind, die in Elberfeld leben, – getrennt wohnt. Bestraft ist Mann 1. vom Landgericht zu Elberfeld am 18. März 1864 wegen Verletzung der Ehrfurcht gegen des Königs Majestät mit 25 Reichtstalern Geldbuße eventl. 9 Tage Gefängniß (bestätigt in der Appell=Instanz);
2. von demselben Gericht am 27. September 1873 wegen Beleidigung des Bürgermeisters in Schwelm mit 15 Reichstalern Geldbuße oder 1 Woche Gefängniß;
3. von demselben Gericht am 26. November 1873 wegen Verletzung des § 131 des Strafgesetzbuches mit 14 Tagen Gefängniß.
Im September 1864 ist Mann wegen Verhöhnung der Anordnungen der Obrigkeit von hier ausgewiesen worden. –

Der Riemendreher Karl Julius Kuhl, 26 Jahre alt, gebürtig aus Wiehl, verheirathet, Vater von 2 Kindern, ist erst vor Kurzem von Langerfeld, Kreis Hagen, hierher verzogen, nimmt aber schon eine bedeutende Stellung in der Partei ein. Ein gewandter, kräftiger Redner, schlagfertig, mit einem guten Gedächtniß und nicht ohne allgemeine Bildung, ist er besonders bei Volks=Versammlungen von Nutzen, dar bei seiner genauen Bekanntschaft mit den Schriften Lassalle’s jedem Gegner gleich zu dienen weiß.

Bestraft ist er 1. durch Erkenntniß des Königlichen Zuchtpolizei=Gerichts zu Elberfeld vom 28. October 1869 wegen Verwundung mit 10 Reichstalern Geldbuße eventl. 4 Tage Gefängnis.
2. durch Erkenntniß desselben Gerichts vom 20. April 1872 wegen Ueberversicherung zu 775 Reichstalern Geldbuße, eventl. 6 Monate Gefängniß. Diese Strafe tilgt Kuhl z.Z. durch Ratenzahlungen. Außerdem soll er noch eine dritte Bestrafung in Elberfeld erlitten haben: worüber Recherchen angestellt sind.
Redner von weniger Bedeutung als die vorstehend erwähnten sind der Schuhmacher Johann Mühlhausen, (der Schöngeist des Vereins), der Fabrikarbeiter Frick und der Fabrikarbeiter Eckert.

Von auswärtigen Koryphäen treten hier auf:
der Präsident des gesammten Vereins Hasenclever; Tölcke – Iserlohn; Dreesbach – Düsseldorf; Klein – Elberfeld; Frick – Bremen; Winter – Altona und Hörig – Hamburg, über letzteren, den Kandidaten zur Reichstagswahl für Mettmann-Lennep und für Düsseldorf geben die anliegenden Notizen nähere Auskunft. Ferner bereist in letzter Zeit der Kandidat für den Wahlkreis Barmen-Elberfeld, Hasselmann, Redacteur des Partei=Organs, den Bezirk.

Die internationale Partei (Fraction Bebel-Liebknecht) ist hier nur schwach vertreten und hat bis jetzt öffentlich sich kaum gezeigt, das Parteiblatt „Volksstaat” zählt hier ca. 20 Abonnenten, als Kandidat für den Reichstag ist Dr. Johann Jacoby für den Wahlkreis aufgestellt.

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