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Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.

5.4.1815

Als ich dem einmüthigen Beschluß der zum Kongreß versammelten Mächte, durch welchen ein großer Theil der deutschen Provinzen des linken Rhein-Ufers Meinen Staaten einverleibt wird, Meine Zustimmung gab, ließ Ich die gefahrvolle Lage dieser Grenz-Lande des deutschen Reichs, und die schwere Pflicht ihrer Vertheidigung nicht unerwogen. Aber die höhere Rücksicht auf das gesammte deutsche Vaterland entschied Meinen Entschluß. Dieses deutschen Urländer müßen mit Deutschland vereinigt bleiben; sie können nicht einem anderen Reich angehören, dem sie durch Sprache, durch Sitten, durch Gewohnheiten, durch Gesetze fremd sind. Sie sind die Vormauer der Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands; und Preußen, dessen Selbstständigkeit seit ihrem Verluste hart bestrebt war, hat eben so sehr die Pflicht, als den ehrenvollen Anspruch erworben, sie zu beschützen und für sie zu wachen. Dieses erwog Ich, und auch, daß ich Meinen Völkerneun treues, männliches deutsches Volk verbrüdere., welches alle Gefahren freudig mit ihnen theilen wird., um seine Freiheit, so wie sie und mit ihnen, in entscheidenden Tagen zu behaupten. So habe ich denn, im Vertrauen auf Gott und auf die Treue und Mut meines Volkes, diese Rheinländer in Besitz genommen, und mit der preußischen Krone vereinigt.

Und so, Ihr Einwohner dieser Länder, trete ich jetzt mit Vertrauen unter Euch, gebe Euch Eurem deutschem Vaterlande, einem alten deutschen Fürstenstamme wieder und nenne Euch P r e u ß e n !
Kommt Mir mit redlicher, treuer und beharrlicher Anhänglichkeit entgegen.

Ihr werdet gerechten und milden Gesetzen gehorchen. Eure Religion, das Heiligste, was dem Menschen angehört, werde Ich ehren und schützen. Ihre Diener werde Ich auch in ihrer äußeren Lage zu verbessern suchen, damit die die Würde ihres Amts behaupten.

Ich werde die Anstalten des öffentlichen Unterrichts für Eure Kinder herstellen, die unter den Bedrückungen der vorigen Regierung so sehr vernachlässigt wurden. Ich werde einen bischöflichen Sitz, eine Universität und Bildungs-Anstalten für Eure Geistlichen und Lehrer unter Euch errichten.

Ich weiß, welche Opfer und Anstrengungen der fortgedauerte Kriegs-Zustand Euch gekostet. Die Verhältnisse der Zeit gestatten nicht, sie noch mehr zu mildern, als geschehen ist; aber Ihr müßet es nicht vergessen, daß der größte Theil dieser Lasten noch aus der früheren Verbindung mit Frankreich hervorging, daß die Loßreißung von Frankreich nicht ohne die unvermeidlichen Beschwerden und Unfälle des Krieges erfolgen konnte, und daß sie notwendig war, wenn Ihr Euch und Eure Kinder in Sprache, Sitten und Gesinnungen deutsch erhalten wolltet.

Ich werde durch eine regelmäßige Verwaltung des Landes den Gewerbefleiß Eurer Städte und Eurer Dörfer erhalten und beleben. Die veränderten Verhältnisse werden einem Theil Eurer Fabrikate den bisherigen Absatz entziehen; Ich werde, wenn der Friede vollkommen hergestellt seyn wird, neue Quellen für ihn zu eröffnen bemüht seyn. Ich werde Euch nicht durch die öffentlichen Abgaben bedrücken. Die Steuern sollen mit Eurer Zuziehung regulirt und festgestellt werden, nach einem allgemeinen, auch für Meine übrigen Staaten zu entwerfenden Plan.

Die Militair-Verfassung wird, wie in Meiner ganzen Monarchie, nur auf die Vertheidigung des Vaterlandes gerichtet seyn, und durch die Organisation einer angemessenen Landwehr werde Ich in Friedenszeiten dem Lande die Kosten der Unterhaltung eines größeren stehenden Heeres ersparen. Im Kriege muß zu den Waffen greifen, wer sie zu tragen fähig ist.

Ich darf Euch hiezu nicht aufrufen. Jeder von Euch kennt sein Pflicht für das Vaterland und für die Ehre.

Der Krieg droht Euren Grenzen. Um ihn zu entfernen, werde Ich allerdings augenblickliche Anstrengungen von Euch fordern. Ich werde einen Theil Meines stehenden Heeres aus Eurer Mitte wählen, die Landwehr aufbieten, und den Landsturm einrichten lassen, wenn die Nähe der Gefahr es erfordern sollte.
Aber gemeinschaftlich mit Meinem tapferen Heer, mit Meinen anderen Völkern vereinigt, werdet Ihr den Feind Eures Vaterlandes besiegen, und Theil nehmen an dem Ruhm, die Freiheit und Unabhängigkeit des deutschen Reichs auf lange Jahrhunderte dauernd gegründet zu haben.
Wien, den 5. April 1815

Friedrich Wilhelm