„Zugereiste behaupten, kaum eine Bevölkerung in Deutschland stände so mit beiden Beinen auf dem unvermeidlichen Boden der Realität. Die Realität ist hier ein ungemein erfindungsreicher Gewerbefleiß. Das Branchen-Adreßbuch führt 831 Arten Gewerbe und Tätigkeiten auf. Zumeist handel es sich um klug getüftelte Spezialisierungen der Textilfabrikationen, der Kleinmetallindustrie und der Herstellung von Farben und Lacken. Gleichwohl läßt sich – soweit man 400 000 Köpfe auf einen Nenner bringen darf – die Behauptung wagen, sie seien vom Grund ihres Herzens bereit „zu schweben““.
„Das Wuppertal, die damals noch feindlichen Schwesterstädte Elberfeld und Barmen zusammengerechnet, hatte vor hundert Jahren gut 85 000 Einwohner.. Es war mithin damals größer als Leipzig, Stuttgart oder München; viel größer als die Städtchen des noch nicht erschlossenen Ruhrgebiets, schien es gar eine Zeitlang die rheinische Metropole Köln zu überflügeln. Wuppertal nahm die sozialen Probleme der Gründerzeit vorweg.“
„Daß die Kunst früher in Wuppertal eine mehr als „geduldete“ Rolle gespielt habe, läßt sich mit keinerlei Argument belegen. Ich erwähnte schon Immermanns Abscheu. Felix Mendelssohn fühlte sich kaum weniger unwohl. Goethe spricht von „beschränkten, häuslichen Zuständen“; sogar seinem pietistischen Freunde Jung-Stilling war die doktrinäre Enge zuwider. Die Musen hatten keinen Raum im Betsaal.“
„Theater aber und bildende Kunst machen noch nicht das Leben aus, das man „kulturell“ zu nennen pflegt. Es gibt in Wuppertal —von bemerkenswert guten Schulen, von der Volkshochschule, der Textilingenieurschule und der durchaus bestrebten Kunstgewerbeschule abgesehen — eine Institution, die der Stadt den Namen eintrug: Universitätsstadt ohne Universität. Diese Institution ist eine Laienakademie, schlicht genannt „Der Bund“. Im ‚Untertitel: Gesellschaft für geistige Erneuerung, gegründet 1946. Diese Gesellschaft, finanziert von der Stadt und geleitet von H. J. Leep, umfaßt Arbeitskreise und Diskussionsabende, nicht anders als manche Volkshochschule; aber zeichnet sich aus durch ein besonderes Maß Intensität, der Thematik sowohl wie der Anforderungen.“
„Ein lebendiges Kompromiß: Fleiß und Eigensinn, Nonkonformismus, Weltflucht und Weltoffenheit, patriarchische Strenge verbunden mit tätigem Sinn für den Nächsten — diese Mischung hat sich nun, über mehr als eines Jahrhunderts Länge, durchaus realistisch bewährt und bewiesen.“
„Es wären noch manche Kuriosa zu nennen, von dem rechnenden Pferd des Juweliers Krall — dem „klugen Hans“, der zur Zeit unserer Väter die Weltöffentlichkeit faszinierte — bis zu der gewerblichen Findigkeit, mit der hier ein Fabrikherr Vermögen machte: Er exportierte Pulswärmer an den Kongo, für die kalten Nächte dort in den Tropen. Es ist Findigkeit, welche nach unserem Erachten dem Surrealismus zugehört.“
„Vieles hat sich in diesem Versuch einer kurzen Monographie der Stadt nicht einmal streifen lassen. […] Nicht die glückliche Fatalität, daß die Stadt, geographisch beengt zum Phänomen des „bebauten Grabens“, dem Schicksal entging, zum Wasserkopf und zur Millionenstadt anzuschwellen. Günstiges Geschick! denn so blieb der Stadtrand immer erreichbar. Es gibt im Westen kaum eine Industriestadt, deren Bewohner so rasch im Grünen sind — im hügelig freien Waldgelände des Bergischen Landes und seiner Höhen. Es beginnt unmittelbar am Rande der Talschlucht.“