Schlagwort: Zitate

Am 1. September 1910 erschien in der Zeitschrift „Der Sturm“ folgender Text von Else Lasker-Schüler über die Jubiläumsstadt Elberfeld:

Elberfeld im dreihundertjährigen Jubiläumsschmuck

Von Else Lasker-Schüler

„Lott es doot, Lott es doot, Liesken leegt om Sterwen, dat es, god, dat es god, gäwt et wat tu erwen!“ Ich bin verliebt in meine buntgeschmückte Jubiläumsstadt; das rosenblühende Willkomm gilt mir, denn ich‘ bin ihr Kind, die flatternden Fahnen auf den Dächern, aus den Fenstern winken mir zu, länge Rotschwarzweißarme, die mich umfangen wollen. Ich soll
überall hereinkommen. Ich bin in Elberfeld an der Wupper in der Stadt der Schieferdächer. Hohe Ziegelschornsteine steigen, rote Schlangen herrisch zur Höhe, ihr Hauch vergiftet die Luft. Den Atem mußten wir einhalten, kamen wir an den chemischen Fabriken vorbei, allerlei schärfe Arzeneien und Farbstoffe färben die Wasser, eine Sauce für den Teufel. Aber nach Newiges zu, wo die Maschinen ruhen, wie frische Drillingsbäche fließt die Wupper zwischen Wiesen und Waldalleen. Aber ich bin verliebt in meine zahnbröckelnde Stadt, wo brüchige Treppen so hoch aufsteigen, unvermutet in einen süßen Garten, oder geheimnisvoll in ein dunkleres Viertel der Stadt. Ich mag die neuen Bauten nicht —
wer aber war die Urpatrizierin des Rokokohauses aus der Friederizianischen Zeit? Es lebt noch einbalsamiert zwischen jüngst zur Welt gekommenen Fabrikanten- und Doktorhäuslern. Denn jeder etwas wohlhabende Bürger der Stadt besitzt ein Wohnhaus, worüber er Herr ist. Portiersleute gibt es in Elberfeld nicht, frech-gewordne Sklaven, die nach Belieben ein- und heraus lassen. Selbst viele Arbeiter leben im Eigentum ihrer Mütter. Gequacksalbert hat die Alte an der grünen Pumpe, noch heute heilt sie Krampfadern und Beingeschwüre. Und das berühmte Geheimmittel gegen die Cholera hat der sterbende Großvater Willig dem Vater ins Ohr gelallt und der hat es wieder dem Sohn anvertraut und nun weiß es der Enkel, der wahrscheinlich seiner gesprächigen Mutter wegen taubstumm zur Welt kam. Und überhaupt so seltsame Dinge gingen in der Stadt vor; — immer träumte ich davon auf dem Schulweg über die Au. Manchmal lief ich durch graue, lose Schleier, Nebel war überall; hinter mir kamen schauerliche Männer mit einem Auge oder loser Nacktheit; auch an Ziethens Häuschen mußte ich vorbei, der seine Frau erschlagen haben sollte, „ewwer en doller Gesell wors gewäsen“. Oft ließ ich‘ vor Angst die Bücher fallen oder der Ranzen hing mir nur noch halb auf der Schulter. Nun grünt nicht mehr die von Zäunen umgrenzte Au; Tore verschließen Häuser; kein Schulkind kann mehr auf dem Wege zur Schule säumen, jedes Fenster zur Rechten und zur Linken weckt es auf. Lebt der greise Direktor Schornstein noch, der nicht wie die roten Schornsteine rauchte, aber vor Zorn so oft fauchte? Ich bin verliebt in meine Stadt und bin stolz auf seine Schwebebahn, ein Eisengewinde, ein stahlharter Drachen, wendet und legt er sich mit vielen Bahnhofköpfen und sprühenden Augen über den schwarzgefärbten Fluß. Immer fliegt mit Tausendgetöse das Bahnschiff durch die Lüfte über das Wasser auf schweren Ringfüßen durch Elberfeld, weiter über Barmen zurück nach Sonnborn-Rittershausen am Zoologischen Garten vorbei. Mein Vater mußte an den Sonntagen mit mir dorthin gehen, der bemerkte nicht den Sekundaner mit der bunten Mütze. Auf dem Hügel im Tannenwäldchen am Bärenkäfig versprachen wir uns zu heiraten. —
Ich muß an alles denken und stehe plötzlich wie hingehext vor meinem Elternhaus; unser langer Turm hat mich gestern schon ankommen sehen; ich fall ihm um den Hals wahrhaftig. Leute am Fenster des Hauses bemerken, daß ich weine — sie laden mich ein auf meine Bitte, einzutreten. Schwermütig erkenne ich die vielen Zimmer und Flure wieder. Auf einmal bin ich ja das kleine Mädchen, das immer rote Kleider trägt. Fremd fühlte ich mich in den hellen Kleidern unter den andern Kindern, aber ich liebte die Stadt, weil ich sie vom Schoß meiner Mutter aus sah. Von jeder Höhe der vielen Hügel schwebt noch ihr stolzer Blick wie ein Adler; und meines Vaters lustige Streiche stürmen eben um die Ecke der Stadt. „Wat wollt Öhr van meck, eck sie jo sing Doochter.“ Das rettet mich vor der schon erhobenen Faust eines besoffenen Herumtreibers. Das verwilderte Jahrmarktgesindel rings um mich schwenkt meine Kindheit immer wieder von´neuem wie in einer vielseitigen Luftschaukel auf und nieder. Das Geklingel der Karussellmusik, begleitet von Flüchen rauher Mäuler und Kreischen frivoler Weibsbilder ist zärtlich meinem Ohr. Denn ich bin verliebt in die Stadt der Messen und Karussells. Mein Begleiter versucht mich zu überreden, mit ihm den Riesenjahrmarktplatz zu verlassen. Aber ich muß noch einige Male Karussel fahren. „Lott es doot, Lott es doot‘, ich fahr für mein Leben gern; gerade die altmodischen Holztiere sind am fröhlichsten und drehlichsten. Mein Leopard springt auf Raub. Zwischen Aujust und Aujuste die Bewußte, hinter Caal und Caaroline Alma, Luischen, Amanda. Gar nicht stolz bin ich — sie beginnen mich zu lieben. Ich bin verliebt in meine Stadt, manchmal schrei ich ganz laut auf, das überzeugt das rohe, Gesindel.. Den Härrn Schüler haben viele gekannt, er hat sie umsonst wohnen lassen in seinen Häusern- —
Ich muß an alles denken und stehe plötzlich wie hingehext vor meinem Elternhaus; unser langer Turm hat mich gestern schon ankommen sehen; ich fall ihm um den Hals wahrhaftig. Leute am Fenster des Hauses bemerken, daß ich weine — sie laden mich ein auf meine Bitte, einzutreten. Schwermütig erkenne ich die vielen Zimmer und Flure wieder. Auf einmal bin ich ja das kleine´Mädchen, das immer rote Kleider trägt. Fremd fühlte ich mich in den hellen Kleidern unter den andern Kindern, aber ich liebte die Stadt, weil ich sie vom Schoß meiner Mutter aus sah. Von jeder Höhe der vielen Hügel schwebt noch ihr stolzer Blick wie ein Adler; und meines Vaters lustige Streiche stürmen eben um die Ecke der Stadt. „Wat wollt Öhr van meck, eck sie jo sing Doochter.“ Das rettet mich vor der schon erhobenen Faust eines besoffenen Herumtreibers. Das verwilderte Jahrmarktgesindel rings um mich schwenkt meine Kindheit immer wieder von neuem wie in einer vielseitigen Luftschaukel auf und nieder. Das Geklingel der Karussellmusik, begleitet von Flüchen rauher Mäuler und Kreischen frivoler Weibsbilder ist zärtlich meinem Ohr. Denn ich bin verliebt in die Stadt der Messen und Karussells. Mein Begleiter versucht mich zu überreden, mit ihm den Riesenjahrmarktplatz zu verlassen. Aber ich muß noch einige Male Karussel fahren. „Lott es doot, Lott es doot‘, ich fahr für mein Leben gern; gerade die altmodischen Holztiere sind am fröhlichsten und drehlichsten. Mein Leopard springt auf Raub. Zwischen Aujust und Aujuste die Bewußte, hinter Caal und Caaroline Alma, Luischen, Amanda. Gar nicht stolz bin ich — sie beginnen mich zu lieben. Ich bin verliebt in meine Stadt, manchmal schrei ich ganz laut auf,ndas überzeugt das rohe, Gesindel.. Den Härrn Schüler haben viele gekannt, er hat sie umsonst wohnen lassen in seinen Häusern- —

Wir gehen durch das Tor ins Elberfeld vor „dreihundert“ Jahren. Mina singt gerade im Tingeltangel ihre Liebeslieder. In rosanen Atlaspantoffeln stecken ihre Klumpfüße, ein knappes Röckchen bedeckt ihren Allerweltsleib. Diese Undame charakterisiert das Chantant einer ganzen Zeit. Ich entgehe ihrem Spotte nicht, aber ich weiß ihr Achtung einzuflößen. Ist ihr Hals etwa nicht wie Milch? Und zuguterletzt erkundige ich mich angelegentlich, wo man genau solche Pantoffeln bekommt in der Stadt, wie die ihren sind. „Die sinn ut Engeland bei Paris.“ — Nun hinein ins Köllner Hälnneskein! Gewaltsam zerre ich den Dichter zwischen die Clowns ins Innere des Brettertheaters. „Sie werden noch gestochen werden wie Ihr Vater einmal.“ Durch seine Uhr ging;
die Spitze des Metzgermessers, Am anderen Morgen führten die jammernden Eltern den heulenden Sohn vor das fieberknarrende Bett meines Vaters. Er wußte, daß sie kommen würden und drei Gläser und eine Flasche Rotwein standen zum Empfang auf dem Nachttisch. Aber er ächzte vor Schmerz, namentlich, als die fette Metzgersmutter begann, dat et dar wackere Här Schüler verzeehen mödd … Ich bin verliebt in meine Stadt, aber schon muß ich Abschied nehmen wie von einem alten, düsteren Bilderbuch mit lauter Sagen. Niemand hat mich wiedererkannt, auch in Weidenhof der Wirt nicht, der immer einen ganz kleinen Kellner für mich herbeischaffen mußte am Festtag, wenn wir dort Forellen aßen. Und die Einkehr in meine Heimat habe ich einem Dichter in Elberfeld zu verdanken, der kam dorthin lange nach mir. Paul Zechs feine künstlerische Gedichte duften morsch und grün nach‘ der Seele des‘ Wuppertals.“

Räuber in Langerfeld

Die „Beilage zu Nr. 20 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg. (Schönberger Anzeigen.) Schönberg, den 9. März 1894.“ vermeldete an diesem Tag folgendes:

„In den „Höfen“ in der Nähe von Rittershausen auf Langfelder Gebiet befindet sich eine sehr geräumige Höhle. In derselben entdeckte kürzlich die Polizei 180 Stück Dynamitpatronen, mehrere Waffen, darunter vier scharfgeschliffene Säbel und eine Menge anderer jedenfalls gestohlener Gegenstände. Drei Personen im Alter von 24-30 Jahren, die darin ebenfalls angetroffen wurden, wurden verhaftet und ins Gefängniß nach Elberfeld eingeliefert.“

Quelle.

Rittershausen heißt heute Oberbarmen.

The Kaiser opens a novel railway

An dieser Stelle soll heute eine etwas in Vergessenheit geratene, sporadische Reihe in diesem Blog wieder auferstehen: das Zitieren von Texten über Wuppertal, die Einblick geben in die Geschichte dieser Stadt. Heute gibt es eine zufällig im Netz gefundene Kurzmeldung der New York Times vom 25.Oktober 1900:
„Kaiser opens an novel railwayNew Suspension Road Between Elber-
feld and Barmen DedicatedBerlin, Oct. 24 – Emperor William and
Empress Augusta Victoria to-day dedicat-
ed with elaborated ceremony the suspension
railway which runs belong the River Wipper
and connects Elberfeld and Barmen,
a high, ingenious structure. The Kaiser
made the initial ride over the line.
Subsequently his Majesty attended the
dedication of the Hall of Fame in Barmen.
Replying to an address by the Burgomas-
ter, the Emperor warmly acknowledged, on
behalf of the Empress and himself, the
cordial reception tendered him by the pe-
ople of the town.
„I am happy to say,“ he remarked, „that
my mother’s condition allows me to pay
this visit to Barmen, although the joyous
beating of my heart is still troubled by the
shadow that hangs over her. She request-
ed me to greet the city in her name.“
The Emperor and Empress are expected
to return to Berlin Friday.“
Quelle im Archiv der New York Times

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Tariff Trippers im Wuppertal: William Queen

William Queen aus Edinburgh war Distriktfunktionär der Fuhrleute-Gewerkschaft, Ex-Sozialist und 1910 Teil der „tariff trippers“, die Elberfeld und Barmen besuchten. Er schrieb zur Schwebebahn:

„[…]In Elberfeld war ich äußerst fasziniert von der Schwebebahn; die einzige dieser Art, die ich je gesehen habe. Bei dieser Bahn fahren die Wagen durch die Luft, aufgehängt an einem Einschienensystem. Ein anderer bemerkenswerter Aspekt in Verbindung damit ist die Tatsache, daß der Raum über dem Wasserlauf für den Zweck dieser Bahn genutzt worden war. Auf diese Weise wurde eine hohe Finanzaufwendung vermieden, die durch den Ankauf von Bodenflächen, den Abriß von Häusern, die Konstruktion von Brücken etc. entstanden wäre, wenn man die Bahn auf Mutter Erde hätte fahren lassen.[…].“

entnommen aus: Jürgen Reulecke, Bergische Miniaturen. Geschichte und Erfahrungen, hrsg. von Stephen Pielhoff, Essen 2010, S.237. 

Tariff Trippers in Wuppertal: Fred Howard

Auch Fred Howard aus Farnsworth/Lancashire, der als Angestellter einer Baumwollweberei beschäftigt war, gehörte zu den „tariff trippers“. Was schreibt er über Barmen?

„[…] Als wir im Arbeiternachweisbüro waren, äußerten wir den Wunsch, die Wohnung eines Arbeiters zu besichtigen; der Beamte kam unserer Bitte nach und er suchte einen Arbeiter. Wir gingen mit diesem, seine Wohnung zu besuchen, die aus drei großen, sauberen, und gesunden Räumen besteht, für die als Miete vier Mark die Woche ohne Abgaben zu zahlen waren. Sein Name und seine Anschrift waren Hugo Meyer, 3.Stock, Hochstraße 67, Barmen. Wir fragten ihn über seinen Beruf aus und fanden heraus, daß er ein Baumwollgarnfärber war.[…]
Die Färber um Barmen arbeiten 57 Stunden in der Woche, und alle Männer werden nach Stücklohn bezahlt. Arbeiter, die am Färberbottich arbeiten, können zwischen 30 und 36 Mark  Arbeiter, die an den Spülbecken oder großen Kästen usw. beschäftigt sind, zwischen 28 und 33 Mark pro Woche verdienen, was eine weit bessere Bezahlung ist, als sie die Mehrheit von Färbern in England erhält.“

Die Hochstraße in Barmen ist heute der östliche Teil der Straße Hohnstein, zwischen Adlerstraße und Steinweg. So zeigt es zumindest dieser Stadtplan Elberfeld – Barmen 1890.

Ob die Arbeitsbedingungen und -entlohnungen wirklich in Elberfeld und Barmen so vorteilhaft waren, wie es u.a. Fred Howard behauptet, ist zumindest zweifelhaft. Man darf nicht vergessen, dass die tariff trippers in einer politischen Angelegenheit unterwegs waren.

entnommen aus: Jürgen Reulecke, Bergische Miniaturen. Geschichte und Erfahrungen, hrsg. von Stephen Pielhoff, Essen 2010, S.237.

Tariff Trippers in Wuppertal: George Green

George Green (Plakatierer und ehemaliger sozialistischer Arbeitssekretär) war ebenfalls einer der tariff trippers, die im April 1910 Elberfeld besuchten. Ein Auszug seines Berichtes:

„Elberfeld war die erste Stadt, die wir nach unserer Ankunft in Deutschland besucht haben, und sie war in der Tat in mehrfacher Hinsicht eine Offenbarung für mich. Elberfeld ist eine Stadt von etwa 160 000 Einwohnern, von denen eine große Zahl in der Textilindustrie beschäftigt ist.[…]
Die überraschenste Tatsache war aber für mich die völlige Abwesenheit von Müßiggängern außerhalb der Gaststätten, weiterhin das Fehlen von Männern, Frauen und Kindern, die Schnürriemen, Streichhölzer usw.verkaufen. […] Jeder scheint einer Beschäftigung nachzugehen. Wir sahen kein einziges Mal ein Kind, das eindeutig als zerlumpt oder ohne Schuhe hätte bezeichnet werden können. Wir besuchten auch eine Arbeitergaststätte, wo man ein großes Glas Bier für zehn Pfennig erhalten konnte, also weniger als einen Penny. Die Gaststätte war äußerst sauber und behaglich, und es standen dort Tische mit frischen Tischdecken, auf denen Zeitungen auslagen. […]“

entnommen aus: Jürgen Reulecke, Bergische Miniaturen. Geschichte und Erfahrungen, hrsg. von Stephen Pielhoff, Essen 2010, S.236

Tariff trippers im Wuppertal: John T.Catterall

Es war im Frühjahr 1910 als englische Gewerkschafter, spöttisch „tariff trippers“ genannt, durch Deutschland zogen, um zu erkunden, wie die Lebensbedingungen des deutschen Arbeiters denn seien, nachdem die Marke „made in germany“ begonnen hatte, englische Produkte zu überragen. Auch das neue Kaiserreich und die Sozialpolitik Bismarcks standen in England im Rahmen eigener Tarifauseinandersetzungen zur Debatte. Schließlich hatte der englische Finanzminister Lloyd George behauptet, dass das Schwarzbrot, dass den Arbeitern in Deutschland zur Verfügung stehe, so ekelhaft sei, dass nicht einmal Bettler es essen würden. Durch Spenden gefördert, besuchten mehrere Arbeiter im Frühjahr 1910 auch Elberfeld und Barmen, um die Lebensumstände hier unter die Lupe zu nehmen: Einer davon war John T.Catterall aus Wallington / Surrey
„Die Durchschnittslöhne [in Elberfeld] sind folgende: Männliche Arbeiter 24 Mark pro Woche, männliche Zurichter von Webstühlen 27 Mark pro Woche. Mechaniker, die Reparaturen ausführen, 24 Mark pro Woche. Junge Frauen im Alter von über 16 Jahren, die als Spulmädchen, weibliche Zurichter und Weberinnen beschäftigt sind, verdienen zwischen 14 und 15 Mark die Woche. Jungen (unter 16) erhalten geringfügig weniger. Alle Industriezweige blühen, die Löhne sind in den letzten zehn Jahren um 26% angestiegen [..] Die Höhe der Miete ist angemessen: […] drei Räume mit Küche kosten durchschnittlich vier Mark pro Woche.[…]

Wir nahmen in den Schaufenstern, die gut beleuchtet sind, die folgenden Artikel und Preise zur Kenntnis: Schuhe pro Paar 5- 14,50 Mark; Kleidung (ganze Anzüge) von 18-50 Mark; Hüte -aus England importiert- 3-4,50 Mark; Mützen 0,50-2,50 Mark; Strümpfe und Socken von 0,80 Mark das Paar aufwärts; Kragen, Hemden und Krawatten: Preise wie in England […]

Eier, 14 Stück, für 0,50 Mark; Speck pro Pfund 0,70-0,95 Mark; Schweinefleisch pro Pfund 0,75-0,95 Mark, […] Butter 1,00-1,25 Mark das Pfund. Weizenbrot wird in Form von Brötchen angeboten, ähnlich jenen, die in unseren Restaurants erhältlich sind, und es ist nicht teurer als in England. Graubrot, das aus einer Mischung von Roggen und Weizen besteht, erfreut sich einer weit über der für Weizenbrot liegenden Popularität und ist äußerst schmackhaft und zufriedenstellend; es ist billig, in vielen Fällen billiger als unser normales englisches Alltagsbrot; da ich es regelmäßig gegessen habe, kann ich seine Bekömmlickeit bezeugen.“

 John T.Catterall war am 24.März 1910 in Elberfeld.

entnommen aus: Jürgen Reulecke, Bergische Miniaturen. Geschichte und Erfahrungen, hrsg. von Stephen Pielhoff, Essen 2010, S.234f.

In den Jahren 1846/47, also vor der Märzrevolution 1848, besuchte der englische Nationalökonom Thomas C.Banfield Deutschland und machte auch im Bergischen Land Station. Ein Auszug:

„Nähert sich der Reisende Elberfeld, dem Standort der Seiden- und Baumwollgewerbe, so bietet das Landschaftsbild völlig andere Züge als die benachbarte Grafschaft Mark, die wir gerade hinter uns gelassen haben. Hübsche Bauernhäuser mit kleinen Länderein füllen das ziemlich enge Tal. […] Die Fabriken werden fast ausnahmslos von Wasserkraft angetrieben. Sie sind daher folgerichtig entlang der Wupper, ihrem Gefälle entsprechend, angelegt. Zwischen ihnen stehen, oft ein oder zwei Meilen von der Fabrik entfernt, die Bauernhäuser. […]
Man muss gestehen, dass eine Arbeiterbevölkerung, die so verstreut auf dem Lande wohnt, einen erfreulichen Kontrast zu dem Anblick der schäbigen Siedlungen bietet, die am Eingang unserer [englischen, Anm.] Industriestädte anzutreffen sind.[…] Wir haben allerdings Zweifel, in der Hinsicht, dass der englische Arbeiter mit dem deutschen tauschen würde, wie idyllisch dem Fremden auch sein Wohnen erscheinen mag. „

Entnommen aus: Gerhard Huck/ Jürgen Reulecke: …und reges Leben ist überall sichtbar. Reisen im Bergischen Land um 1800. (Bergische Forschungen XV), Nuestadt/Aisch, 1978, S.228.

Ein französischer Adliger, der nach der französischen Revolution emigrierte und dann nach Elberfeld kam, weil ihm Düsseldorf zu unsicher geworden war, da die Franzosen das linke Rheinufer 1794 besetzten, schrieb in seinem sog. Neunten Brief:

Elberfeld muß damals [Anm.: bei Erhalt der Stadtrechte 1610] unstreitig Mauern und Thore gehabt haben; denn viele unter den noch jezt lebenden Bürgern, haben selbst noch ein Thor unter dem Namen Morianspforte gekennt, welche vor ohngefähr fünf und zwanzig Jahren erst ganz abgebrochen ist. […] Ein anderes Thor, die Feldpforte genennt, stand in der Gegend des Merkerbachs, und eine Straße ab demselben Wasser führt noch jezt den Namen, auf dem Walle.“

entnommen aus: Jürgen Reulecke, Bergische Miniaturen. Geschichte und Erfahrungen, hrsg. von Stephen Pielhoff, Essen 2010.

Ein französischer Emigrant in Elberfeld

1792/1793 schrieb ein französischer Emigrant:

„Vom Wielerhäuschen (diesen Namen führen einige Wirtshäuser und Bauernwohnungen) bis Elberfels, geht der Weg durch einen Wald, und sobals man aus diesem, den letzten Berg hinunterkommt, so erblickt man die Stadt in einem Thale, an und durch welches der so wohltätige Wupperstrom (eigentlich Wipper) hinfließt. Wer vorher die Menge der Häuser und die drei Kirchtürme nicht bemrkt hat, der glaubt in ein prächjtiges Dorf zu kommen. Denn die Stadt hat weder Mauern noch Thore. […]
Elberfeld, wo ich mich nun schon geraume Zeit aufgehalten habe, ist eine Stadt von ohngefähr 1100 Häusern, zwischen Bergen versenkt und größtentheils sehr gut bebauet. Sie scheint durch den beständigen Zug von Luft, den die Berge verursachen, ziemlich gesund zu seyn, und ist der Mittelpunkt der Fabriken und Manufakturen der beiden Herzogthümer Berg und Jülich.“

entnommen aus: Jürgen Reulecke, Bergische Miniaturen. Geschichte und Erfahrungen, hrsg. von Stephen Pielhoff, Essen 2010.

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