StA Wuppertal, S XI 12
Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.
31.01.1813
Nach drei unruhigen und gefahrvollen Tagen, erlaubt es mir die gestern Abend eingetretene Ruhe, Ihnen Herr Prokureur die seltsame mit mancherlei Verbrechen verpaarten Auftritte anzuzeigen, welche in dieser Zeit stattgehabt haben.
Schon einige Tage vorher langte die Nachricht über verschiedene Widersezlichkeiten, welche gelegenheitlich der Konscription in den umliegenden Orten statt gehabt hatten, hier ein; doch da die Konscription in hiesiger Stadt ruhig vorbei gegangen war, kein böser Geist unter dem hiesigen Volk sich hatte blicken lassen, so vermuthete niemand einen Auftritt der Art in hiesiger Stadt, noch viel weniger, daß es auswärtigen Horden einfallen würde, den hiesigen sehr friedlichen Kanton mit einem Ueberfall heimzusuchen, daher der Abgang jeder Vertheidigungs Anstalt.
Vorigen Donnerstag den 28ten dieses verbreitete sich erst das Gerücht, es seyen Insurgenten im Abzug, doch diesen Namen verdient eine zusammen gelaufene Bande von wahrem Lumpengesindel nicht, welche ohne Zweck und Plan ohne eigentlichen Anführer durch die Ortschaften zog; wircklich rückte gegen Mittag diese Bande von der Kronenberger Chausee her, auf die Stadt an, vor dem Eingang derselben hielten sie sich etwa eine Viertelstunde auf, um wie selbe sagten, ihr sämtliches Volck an sich zu ziehen, bei deren Vortrag ich daselbst mehrere Kronenberger und Sohlinger Gesichter erkannte, und erhielt auf meine Anrede, in welcher Absicht sie hierhin gekommen seyen, die Antwort, sie wolten niemand etwas zu Leide thun, sie giengen nach Werden um die Tabacksgefangene Los zu machen, und nach Eßen, um sich Gewehr zu verschaffen, von der Stadt verlangten sie nur Beköstigung für heute und eine Unterstüzung für Waffen.
Die erschrockene Bürgerschaft, welche ungefähr 500 mehr oder weniger bewafnete Unruhestifter [vor sich] sah, und deren noch weit mehrere [nach Angabe 1500] erwartet würde im ersten Schrecken alles zugestanden haben, wenn nicht die Vorgesezte der Stadt die Anforderung der Waffen mit Ernst zurück gewiesenhätten. Der Zug gieng nun auf das Rathhauß, woselbst ein eingefangener Vagabund befreiet wurde, eine Tabacks Debitantin hatte man beim Anmarsch entlassen und einen dritten Arrestat Ließen die Rebellen auf die Vorstellung, daß er ein Dieb sey, in Verhaft. Im Rathhaußsaal erschiene nun ein mit Pistolen einer Büchse und Säbel bewafneter Mensch, welcher sich als den Kommandanten zugleich als einen höchst einfältigen Menschen darstellte, und vorläufig die Bequartirung seiner Mannschaft, in der Zahl etwa 500 verlangte, welche unter der bedingung statt hatte, daß der Trupp Tags nach her ausziehen solle. Dieser Anführer heißt Hammerschmitt genannt Schottländer. Nach einigen Stunden der Ruhe, während die Unruhstifter mit Essen beschäftiget wurden, fing der Tumult in den Gassen mit Schiessen Schreyen p.p. von neuem an, sodann plünderten die Rebellen in Läden der Tabacks Debitanten den vorhandenen Taback, zerschlugen die Schilder p. wahrscheinlich würde bei dieser Gelegenheit noch mehr geraubt worden seyn, wenn nicht durch das Ansehen und die Vorstellungen der überall hinzu eilenden Magistrats Personen, und sonstige Honorationen, wenigstens den gröbsten Exzessen Einhalt geschehen wäre. – Einzelne Trupps machten noch sonstige Anforderungen in Privathäusern, Ließen sich jedoch mit Kleinigkeiten abspeisen, überhaupt hatte keine Plünderung oder besondere Konkusion statt. Gegen Abend versammelte sich ein Rotte vor dem Hause des Herrn Maire Bredt und forderte mit Ungestümm die Stadtfahne welche aber standhaft verweigert wurde:
Die Nacht verstrich nach den Umständen ziemlich ruhig, andern Morgens verlangte man der bedingung gemäß, den Abzug der Trupp, wozu der Kommandant zwar ziemlich, keineswegs aber der Trupp willig waren. – Die Ruhestöhrer versammelten sich auf dem Marckt und Ließen nun Gewehre, Pulver, blei verlangen. Auf dem Gemeindehauße machte nun ein gewisser Deverennes Wirth aus Wald den Sprecher und Oberkommandanten, dieser forderte hartnäckig die Conscriptions Listen, Geld und Waffen. Standhaft wurden diese Anforderungen von der Mairie verweigert, doch soll der Deverennes von einigen reichen Privatpersonen, die nicht mehr als ein Blutvergießen fürchteten, wozu die Bürgerschaft jezt immer geneigter wurde, 200 Reichstaler erhalten haben, um seinen Abzug zu bewürcken, ehe dieser aber erfolgte, zog der Trupp vor das Hauß des Maire und drohte dieses zu stürmen, wenn nicht augenblicklich die Gewehr Pulver und Blei beigeschaft würden. Hier zeichneten durch Tumult und Drohungen sich aus ein gewesener Marcktgehülfe Namens Wachholder aus EIberfeld, welcher unter andern rief:
Wir verlangen keine Gewehr aus Barmherzigkeit, wir wollen sie mit Gewalt han! –
sodan ein Bursch von hier Namens Marten, welcher die Irup an das Hauß des Herrn Mair führte, und sich erbote die Häußer derjenigen zu zeigen, welche Gewehr hätten. Dieser Bursche war derjenige, welcher die fast zum Abzug disponirte Trupp vor das Hauß des Herrn Maire führte, um Gewehr und Munition zu verlangen.
Der Herr Maire bestande auf der Verweigerung, und viele gut gesinnte Bürger erbo ten ihren Beistand. – Aus Schrecken brachten jedoch einige Privatpersonen zwölf alte Gewehr zusammen, welche mit Konivenz des Maire den Rebellen gegeben wurden, doch hatte man die Vorsicht, vorab an jedem etwas zu verderben, so daß dasselbe für den Augenblick nur als Prügel dienen konnte.
Dieser Trupp zog endlich ab. mehrere Trupps von Remscheid, Lennep, Lüttringhausen, Hückeswagen, Schwelm durchkreuzten mittlerweil mit Fahnen und Musick die Stadt; man kann die Anzahl sämtlicher Rebellen, welche den 29ten Mittags in der Stadt waren auf 1200 bestimmen, wovon jedoch der größte Theil keine oder schlechte Waffen führte, auch ohne besondere andere Anforderung als zu Essen, am Nachmittag abzog. Dieser Augenblick wurde benuzt, einige Deputirte an das Ministerium zu senden, um den Verhalt des Vorgangs darzustellen, und einige Kavaleristen zur Unterstüzung der Bürgerschaft zu erbitten. –
In der darauf folgenden Nacht hatte sich die Bürgerschaft aber auch versammelt, und zur Gegenwehr vereinigt. – Auch hatte man schon die Versicherung erhalten, daß ein Trupp Kavallerie zur Mittagszeit einrücken würde.
Andern Morgens erhielte der Herr Maire von den nun in Barmen versammelten Rebellen eine schriftliche Anforderung der Conscriptions Listen, weil nun diese nicht gegeben wurden, so rückte ein Haufe von 500 bis 600 Mann wieder ein, besezte den Marckt und das Rathhauß, und forderte mit großerm Ungestüm wie jemals unter Drohungen die Conscriptions Listen, Pulver Blei und Gewehre. Mit Verweigerungen und Versprechungen wurden die Rebellen aufgehalten, bis gegen Mittag 50 Kavalleristen plözlich einrückten, und den Haufen unversehens überfiel, die Bürgerschaft nahm nun auch thätigen Antheil am Gefecht, daher bedurfte es nur einer Viertelstunde, um die ganze Horde auseinanderzutreiben, welche über den unerwarteten Anfall erschreckt, nur wenig Widerstand Leistete, hierbei wurden 42 gefangen, worunter der vorerwähnte Märten, Leider aber keiner der beiden Haupt Rädelsführer ist, die sich durch schnelle Flucht retteten, jedoch wohl nicht lange verborgen bleiben können.
Hiermit hatte diese Rebellion ein Ende, welche mehr eine Räuberei, als politische Umwälzung zu intendiren schien. Geld und sonstige Anforderungen sind in mehreren Privathäußern gemacht worden, die mir zum Theil noch nicht bekannt, doch sind selbe mehrentheils durch Vorstellung oder Drohung abgewiesen worden, der Haufen schien seine Forderungen zur Zeit nicht übertreiben zu wollen, um den Widerstand nicht zu reitzen, doch bedurfte es der Abhülfe, indem sich sonst zwar keine Insurgenten Armee doch eine vollkommene und furchtbare Räuberbande organisirt haben würde.
Von Elberfeldern haben so viel bisher [bekannt] geworden, nur fünf Burschen an dem Tumult Theil genommen, von welchen Merten, Bens[] und Vogelsang, Lezterer schwer verwundet, [eingefan]gen worden sind, Wachholder aber ohne [Zweifel] eingefangen werden wird.
Da zur Zeit kein spezielles Gericht [der] Vorgänge wegen organisirt, so mache ich [Ihnen] hiervon zur kriminellen Verfolgung der [] mit dem Bemercken Bekannt, daß [die] Eingefangene unmittelbar nach Düßeldorff [] Transportirt worden sind, zugleich [] ich Ihnen das Signalement der Beiden [] Hammerschmitt und Deverennes,und Bitte [um Ver]sicherung meiner ganz besondern |]
[Bericht bricht hier ab]