in: Gesellschaftsspiegel. Organ zur Vertretung der besitzlosen Volksklassen und zur Beleuchtung der gesellschaftlichen Zustände der Gegenwart, 1. Band, Elberfeld 1845.
entnommen aus: Entnommen aus: Tania Ünlüdag, Historische Texte aus dem Wupperthale. Quellen zur Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts, Wuppertal 1989.
Elberfeld 1845
Das gesegnete Wupperthal.
Neben den allgemeinen Schilderungen der gesellschaftlichen Zustände der civilisirten Welt werden wir der Reihe nach die einzelnen Länder, Provinzen und Distrikte unsres Vaterlands in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen unsern Lesern vorführen. Wir beginnen mit unsrer nächsten Umgebung und wollen zunächst die Lage einer Klasse unsrer Mitbürger schildern, welche wegen ihrer Zahl und Beschäftigung die beachtenswertheste sein dürfte.
Fragt man einen Wupperthaler Fabrikanten oder Kaufmann, wie sich die Weber hierorts stehen, so heißt es: „Wer hier arbeiten will, hat einen schönen Verdienst; es gibt Weber, die sechs, acht Thaler die Woche, andere, die fünf oder auch nur vier Thaler verdienen“ u.s.w. Man vergleicht diese Thaler mit den Groschen, welche an andern Orten wöchentlich verdient werden, und stimmt dann das Loblied an von dem „gesegneten Rheinland‘’, dem „gesegneten Wupperthale“ u.s.w. — Wir wollen diesen „Segen“ etwas näher in Augenschein nehmen.
In der folgenden Darstellung der Verhältnisse unsrer hiesigen Weber schließen wir uns den neulich von der Barmer Zeitung veröffentlichten Mittheilungen an, welche von einem Manne herrühren, der die Lage dieser Unglücklichen aus eigner Anschauung kennt, und der uns in den Stand gesetzt hat, jene Mittheilungen zu benutzen und zu ergänzen. Dieser Mann hat seine Berichte unter den Augen der Wupperthaler Fabrikanten veröffentlicht, ohne daß ihm in irgend einem Punkte eine Uebertreibung, viel weniger eine Unwahrheit nachgewiesen werden konnte.
„Da bei den jetzigen Lohnsätzen“, sagt unser Berichterstatter, „daß ungestört fortgehende Weben höchstens das tägliche Brod gewährt, so ist der Weber genöthigt, durch Ueberarbeiten die Ausfälle zu denen, welche durch die vielen Störungen, Hemmnisse und Plackereien entstehen, die wir hier mittheilen werden. Er muß daher Morgens auf den Hahnenruf aufstehen und bis Mitternacht und wohl darüber arbeiten. Seine Kräfte werden schnell verbraucht, seine Sinne vor der Zeit abgestumpft. Seine Brust kann dem ununterbrochenen Zusammenhocken nicht widerstehen; die Lungen werden krank, Blutspeien stellt sich ein. Auch seine andern Glieder erschlaffen und erlahmen, seine Augen ermatten und erblinden. So wird seine ganze physische Person eine frühe Kirchhofblume. Aber nicht nur physisch, auch geistig und sittlich verdirbt der unglückliche Weber. Sein Geist verdüstert, sein Wille erlahmt. Der Weber kann keinen Sonntag halten. Und doch thäte seinem von Strapatzen und Entbehrungen ausgemergelten und heruntergebrachten Körper (man schaue sich die Jammergestalten doch nur an!) Ruhe und Erholung so sehr Noth! Aber dem Armen, von Schulden Ueberbürdeten ist sie nicht gegönnt. Er vergißt am Ende, wie Feld und Wald, Wolke und Abendroth gestaltet sind! Seine ganze Erholung ist — der Branntwein; seine ganze Erbauung — ein wegen Nahrungssorgen keifendes Weib. Wenn die Jahreszeit Fensteröffnung gestattet und man an Sonn- und Festtagen durch unsre abgelegenen Straßen geht, und links und rechts das Webegeklapper rasseln hört, so wird man versucht zu fragen: „Was wollen die Glocken? Läuten sie Sturm?“ — Wie das Elend den Vater aus dem Gotteshause hält und ihn an seinen Webstuhl bannt, so hält es dessen Kinder aus der Schule und kettet sie ans Spulrad oder sperrt sie in eine Fabrik ein. Unsere Elementarschulen sind für die Kinder dieser Unglücklichen nicht da. Um des Brodes willen müssen sie schon arbeiten. Die abendlichen Freischulen, die Freistunden am Sonntag können — das hat die Erfahrung sattsam gelehrt — die entbehrte Elementarschule nicht ersetzen. Auch geht das Kind nur träge und verdrossen zum Unterrichte; es ist müde, überarbeitet, nur halb satt, wohl gar hungernd, es ist schläfrig, matt, sehnt sich nach Erholung — es ist ja noch ein Kind! *)
*) Trotz der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung des Schulbesuchs sind im Wupperthale stets mehr als 1200 Kinder, die durchaus keine Art von Unterricht bekommen.
— Dem armen Weber bleibt zuletzt noch das Armenhaus , falls es ihm glückt, ‘dort eine Nummer offen zu finden und über die vielen Mitwerber den traurigsten aller Siege davon zu tragen. Häufiger, weil er im Armenhause selten Asyl finden kann, verelendet und verfault er mit Frau und Kind, ungesehen und unbetrauert vor und neben des Reichen Thür. Und wohl ihm und den Seinigen, wenn sie ihr Schicksal dulden und tragen. Aber nur zu oft wird der arbeitslose Arbeiter ein Verbrecher, und Weib und Tochter durchschweifen die Stadt und geben sich Preis! … Nicht wahr, ein düstres Gemälde das? Aber schaut nur um Euch — Ihr werdet mit Entsetzen und Schmerz die Originale dazu finden! — Ja, das Elend unsrer Weber ist groß, größer als man denkt. Durch das heillose, unvergütete „Vorrichten“ werden Tausende ins Elend gestürzt und es entsteht ein Heer von Armen, das kaum mehr zu bewältigen. Und das alles tritt ein bei einer Menschenklasse, die vor wenig Jahren zu den rührigsten, lebensfrohesten, ehrenhaftesten und mildherzigsten Bürgern unsres Thales gehörte, bei einer Menschenklasse , deren fleißige und kunstgeübte Hände die Palläste Elberfelds und Barmens gebaut haben! — Wo und wie wohnt diese Klasse von Arbeitern? — Der hohen unerschwinglichen Miethe wegen wohnt der Weber in den entlegensten Gassen, in armseligen Höhlen ohne Luft und Sonne. Dringt man durch die mit Unrath und Koth bedeckten Gassen bis zu ihm hin, was findet man in seiner Wohnung? Den Hausrath, die Bettung, die Kleidung, die Kost eines Bettlers; eine Unreinlichkeit, einen Qualm, eine Ausdünstung, die kaum zu athmen. Hinter zwei oder drei Stühlen sitzen eben so viele Skelette und daneben, in einer Ecke, spult die alte Groß- oder Schwiegermutter, in andern Ecken die schutzbenöthigten und schulpflichtigen, zerlumpten Kinder — und durch sie alle hin windet sich die Hausfrau, die den Rest ihrer Jugendkraft aufwendet, den schreienden , siechenden Säugling zu beschwichtigen. Ohne Stütze, ohne Kredit, ohne Aufmunterung, leben diese Jammergestalten ihr Leben in einer solchen Erstarrung dahin, daß sie eine Verbesserung ihres elenden Zustandes kaum für möglich halten.
Unser Berichterstatter findet die Ursache der von Tag zu Tag zunehmenden Verarmung der hiesigen Weber in den heutigen Lohnverhältnissen: er eifert daher gegen diese: gegen den geringen Lohn Überhaupt; sodann gegen das Vorrichten, welches die Weber oft viele Wochen in Anspruch nimmt, ohne daß ihnen dafür vom Fabrikanten etwas vergütet wird, wie das sonst der Fall war und auch noch jetzt hin und wieder wohl vorkommt; ferner gegen das Warten (Passen), Probiren und Ausbessern, „was alles zur Zeit unentgeldlich verlangt wird, und bei alle dem kann der Weber jetzt nicht mehr, wie früher, Geldvorschüsse vom Fabrikanten erhalten. ‘’ — Das sind allerdings sehr beklagenswerthe Uebelstände, aber es sind nicht die Ursachen, sondern die Wirkungen der heutigen Gesellschaftszustände, wie dies der Berichterstatter an andern Orten, wo er von der „Concurrenz“ und dem „Druck der Zeit“ spricht, selbst einzusehen scheint. — Als besonders eigenthümliche Uebelstände der hiesigen Weber verdienen die genannten Verhältnisse jedoch näher in Betracht gezogen zu werden, und wir wollen daher auch hierüber unsern Berichterstatter hören:
„Der Lohn wird nach der Zahl der Ellen und der Einzeltücher berechnet. Er ist vor und nach von einer sattsam nährenden Höhe auf einen solchen Bestand herabgesunken, daß eine ununterbrochene vierzehn bis fünfzehnstündige Arbeit einem geschickten Arbeiter nur knapp das tägliche Brod gewährt. Ja, es gibt Gewebe, wo im günstigsten Falle nimmer herausgebracht werden kann, was man zum täglichen Unterhalt nothwendig bedarf. In dieser Beziehung allein schon wäre Hülfe insoweit nöthig, daß ein Webermeister den Unterhalt für seine Familie verdienen könnte. Es ist ein niederschlagender Gedanke, daß eine Arbeit, welche des Mannes ganze Kraft und Tüchtigkeit beansprucht, den Familienvater nicht in den Stand setzt, den Seinigen das Nöthige zu verschaffen! — Das Gewebe muß schon gut gehen und zu den bessern gehören, was die Woche 4 bis 5 Thaler abwirft. Was ist aber dieser Höhepunkt des Arbeitsertrags hierorts für eine Familie mehr als eben das Allernöthigste? — Nun aber kommt außer dem im Allgemeinen geringen und mitunter gar nicht entsprechenden Arbeitslohn noch der höchst fatale Umstand hinzu, daß von dem Weber unentgeldliches Vorrichten verlangt wird. Dieses Vorrichten erfordert bei ordinären Gegenständen vierzehn Tage, bei feinern drei bis vier Wochen, bei Kunstsachen fünf bis sechs Wochen Zeit. Dazu nimmt jede Vorrichtung einen Gehülfen in Anspruch, dem man, wenn man sich nicht gegenseitig aushilft, den Tag einen Thaler Lohn geben muß! Außerdem erfordert: das Vorrichten baare Auslagen, so daß die dazu nöthigen Gegenstände und Vorkehrungen oft bis vierzehn Thaler verschlingen. Die Ausgaben sind nämlich dann am größten, wenn ein alter, schmaler Stuhl auf ein breiteres Gewebe vorzurichten ist, eine Nothwendigkeit, die sich oft genug einstellt, — Und wie verhält sich nun zu dieser Vorrichtung die folgende Arbeit, das bezahlte Werk zur unbezahlten Einleitung? — Manchmal dauert das Werk nicht länger als die Einleitung, so daß wer sechs Wochen vorgerichtet, auch sechs Wochen zu weben hat. Dadurch wird denn der Lohn, der in einem Webetage allenfalls erarbeitet werden kann, und -der, wie – gesagt, kaum den eignen Tag zu nähren vermag, auf zwei Tage ausgereckt. Man hat schon Vorrichtungen gehabt, von einer 60 Ellen haltenden Kette, die bei vierzehntägigem Vorrichten nur 7 Thaler eintrug. Wenn nun das Abweben auch in 14 Tagen vollbracht wurde, so waren binnen 28 Tage 7 Thaler, also auf den Tag 7 1/2 Sgr. verdient worden. Man muß jetzt wegen der oft wechselnden Moden viel öfter vorrichten und die Kosten sind wegen der steigenden Anforderungen der Kunst dabei weit bedeutender, als früher. Vor zehn Jahren hat das Vorrichten nur ein Drittheil der Zeit und der Auslagen gekostet, als jetzt, wo der Arbeitslohn noch dazu durchgängig um ein Drittheil geringer steht, als damals, bei manchen Sachen sogar um die Hälfte. Bis vor zwölf Jahren war es dazu im Allgemeinen noch Regel, das Vorrichten zu bezahlen. Seit dieser Zeit ungefähr begannen die Häuser, welche bis dahin das Vorrichten bezahlten, sich denen anzuschließen, welche niemals etwas dafür vergüteten. Die Gewerbefreiheit unterstützte die Herren Fabrikanten mächtig in dem ihnen gar natürlichen Streben, unentgeldliches Vorrichten einzuführen. Junge Anfänger, auswärtige Dörfler, welche den Winter, wo sie keine Feldarbeit hatten, nicht verschlafen mochten (was ihnen auch gar nicht zu verübeln war) und solche, denen das Feld auch im Sommer nicht volle Beschäftigung gab, kamen zu neuen Firmen und boten unentgeldliches Vorrichten an, drückten nebenher auch durch Minderforderungen die bestehenden Löhne herab. Die Nothwendigkeit, mit auswärtigen Fabriken die Concurrenz bestehen zu können, und das Verlangen nach Reichthum haben endlich das unentgeldliche Vorrichten zur Bedingung gemacht, ohne welche seine Arbeit mehr gegeben wurde. So wurden die nicht geringen Vorrichtungskosten vom Fabrikanten ab auf den Weber gewälzt, die Folgen dieser Operation bei später sinkenden Löhnen hatte man damals wohl nicht vorhergesehen. — Aber das unentgeldliche Vorrichten ist es nicht allein, was unsere Weber in’s Elend stürzt; nicht minder nachtheilig wirkt das unvergütete Warten. Ist nämlich das Vorrichten zu Ende, so fehlt es häufig bald an der Kette, bald am Einschlag oder Schusse, bald an den erforderlichen Karten, oder die abgegebenen Karten weisen sich als fehlerhaft aus und deren Ausbesserung verschlingt wieder eine gute Zeit. Ein Weber mußte einmal sechs Wochen mit dem Vorrichten zubringen, weil man mit Verabreichung der Zuthaten so lange zögerte — diese Arbeit hätte schon in vierzehn Tagen geschehen können. Und nun, nach sechswöchentlicher unvergüteter Arbeit, stand endlich der Stuhl vorgerichtet und fertig. Jetzt fehlten Muster und Karten. Der nach Arbeit schmachtende Vorrichter ging aufs Komptoir und fragte nach derselben: „Daran ist noch nicht zu denken!“ hieß es hier. Und das ging so fort von einem Tage zum andern bis aus den Wartetagen Wartewochen wurden und der Mann, der nicht mehr aushalten konnte, den vorgerichteten Stuhl unbenutzt wieder abgeben mußte! Er hatte an neun Wochen umsonst vorgerichtet und gewartet. — Es ist nicht selten, daß auf Kette und Einfluß acht, vierzehn Tage und darüber gewartet werden muß. Das sonst so reelle Haus……. zeichnet sich hinsichtlich des Wartenlassens vor andern traurig aus. Dort ist dieses sogenannte Passen an der Tagesordnung. — Bei einem andern Hause mußte Webermeister Z. nach eingerichtetem Stuhle vier Wochen auf die Kette passen, und das Haus lies den Webermeister F. nach 8wöchentlicher Vorrichtung eines schwierigen Tuches noch 32 Tage auf die Kette warten , ohne dafür etwas zu vergüten. Zwar soll nach Feststellung des hiesigen wohllöbl. Fabrikengerichts dem nach gesehener Vorrichtung Wartenden für jeden Wartetag 20 Sgr. vergütet werden. Wer aber diese Bestimmung in Anspruch nimmt, verbrennt sich die Finger! — Man kann die 20 Sgr. Vergütung einziehen, allein man verliert alsdann dafür die Arbeit! — — Ein ferneres Hinderniß für den Weber ist das kostspielige und zeitraubende Probiren. Dieses Probiren tritt ein, so oft der Musterzeichner oder irgend ein Anderer ein neues Muster ersonnen hat, dessen Ausführbarfeit nun aber auf dem Stuhle erst versucht werden muß. Da die eine Firma der andern durch neue Muster den Rang ablaufen will, so tritt das Probiren sehr häufig ein. Jedes Probiren ist ein Herumtasten, ein Umhertappen, und es verschlingt nicht nur viele Zeit, sondern nöthigt noch zu allerlei Nebenauslagen. Für alle diese Probirarbeiten wird aber dermalen gar nichts vergütet. Die Webermeister Elberfeld’s und Barmen’s, weil sie die geschicktesten sind und unter den Augen der Herren Aufgeber arbeite, leiden vorzugsweise darunter. — Aber das ist noch nicht Alles. Auch der Liefertag geht für den Arbeiter in der Regel ganz verloren; denn die Leute werden haufenweise zu einer Stunde bestellt, müssen, wenn sie zur anberaumten Stunde nicht erscheinen, 2 1/2 Sgr. Strafgeld bezahlen, werden aber nach dem bon plaisir des dienstthuenden, fabrikherrlichen Personals früher oder später abgefertigt. — Endlich ist noch zu bemerken, daß ein Webermeister für alles verantwortlich gemacht wird. Da mag nun der Kettenscheerer, der Spuler, der Werkführer, Kartenzeichner, Maschinenbauer u. s. w. irgendwie etwas vernachlässigt haben, der Weber, der Weber muß einstehen. Der Buchführer z. B. gibt den Schuß oder Einschlag verkehrt an, so wird dafür der Weber unter Lohnabzug „verantwortlich gemacht und zwar zu 33′ 1/3 pCt. , ohne daß ihm gestattet wäre, die Waare für diesen Preis selbst zu behalten. — Durch alle diese Hemmnisse und Prellereien kommt es denn, daß, bei allem scheinbar erträglichen Wochenverdienst in Arbeitstagen, doch der durchschnittliche Wochenverdienst eines Webejahres nicht zum Auskommen ist. — Webermeister P., ein Mann von Kenntniß und Fleiß, wie wenige, hatte einmal zwei Jahre hindurch dieselbe Arbeit; er brauchte nichts vorzurichten. Er, ein Vierziger, arbeitete täglich fünfzehn Stunden. Er hatte Wochen, in welchen er 7 1/2 Thlr. verdiente. Aber was hatte er am Ende des Jahres als durchschnittlichen Wochenlohn: 2 Thlr. 5 Sgr. Dabei hatte seine Frau noch gespult. — Der größte Theil der Weber kann durchschnittlich die Woche keine zwei Thaler verdienen. — Es sei uns gestattet, einige Fälle, die gerade unserm Gedächtniß gegenwärtig sind, die sich aber mit leichter Mühe vermehren ließen, hier namhaft zu machen. Webermeister St. hatte für das Haus ….. zwölf Jahr gearbeitet. Er sprach einmal in großer Geldnoth den Buchführer um Wartegeld an, welches, wie gesagt, nach der Verordnung des Fabrikengerichts vergütet werden muß. Der Buchführer entgegnete : „Sie Sind doch so lange Arbeiter dieses Hauses und werden daher doch wohl wissen, daß dasselbe kein Wartegeld bezahlt; wenn Ihnen das nicht genehm ist, so mögen Sie abgehen!“ In der entsetzlichsten Verlegenheit trug der Arbeiter auf einen kleinen Vorschuß an, um seine Miethe bezahlen zu können. Auch dieser wurde ihm aber geweigert. Man überließ den alt bewährten Arbeiter hartherzig seinem herben Geschicke, das man durch Entziehung der gesetzlich ihm zukommenden Wartegelder eingeleitet hatte. — Webermeister Sch. arbeitete fünf Jahre bei dem Hause .……. Nach abgelaufener Kette mußte er zum Mindesten immer zwei bis drei Wochen unvergütet warten, einmal sogar fünf Wochen. Er hatte nun einmal ein schwieriges Werk vorzurichten, was ihm sechs Wochen Zeit wegnahm, und als die Vorrichtung zu Stande gekommen, zeigte es sich, daß der Werkmeister vergessen hatte, den bezeichneten Rand mit anzugeben. Nun mußte auch dieser noch nachträglich zugerichtet werden. Und für alles dieses erhielt der Arme zur Vergütung — die unverdientesten Vorwürfe! Als er sah, daß unter diesen Verhältnissen nicht auszukommen, verließ er die Firma und trat in die Dienste des Hauses ……..
Er war aber aus dem Regen in die Traufe gekommen. Hier traf ihn ein unaufhörliches Vorrichten. Die Schulden häuften sich, die Armuth brach herein, und als er Martini die Miethe nicht zahlen konnte, ließ ihm der Hausherr alles, sage alles, selbst seine Webstühle auf öffentlichem Markt verkaufen und ihn außer Wohnung setzen. Nun lag Webermeister Sch., ein Fünfzigjähriger, seit 25 Jahren Meister, auf offener Straße, mit seiner Frau, einem 14 jährigen Töchterchen , einem fünfjährigen gebrechlichen Knaben, und einem 3/4jährigen Kinde. Er fand für die nächsten Tage bei seinem Eidam Logis, um Brod mußte er die Armenpflege angehen. Jetzt wohnt er auf einem Speicherkämmerchen, welches keinen Webstuhl faßt, ohne Bettung und fast ohne allen Hausrath. Ein andrer Weber hat sich seiner erbarmt und ihm einen Webstuhl geliehen; für den Stand dieses Stuhles muß er wöchentlich 7 Sgr. Miethe bezahlen. Sein 14 jähriges Töchterchen muß für einen Wochenlohn von 20 Sgr. von einem Ende der Stadt zum andern Spuhlen gehen und zwar fast baarfuß. Auf der Gathe könnt Ihr ihn in seiner Wohnung treffen, diesen zum Skelett abgemagerten Frühgreis. Er webt in der Nähe des Sargmagazins, dessen stille Häuser er gerne, gerne gegen seine Speicherkammer vertauschen möchtel!“